Samstag, 4. April 2015

Am Anfang war die Zeit ohne Grenzen

Nachdem es gerade wieder Neues von Philip K. Dick gibt, hier nun ein kurzer Ausflug zum Anfang, zumindest fast. Tatsächlich war die erste in Deutschland erschienene Buchausgabe von Dick auch für mich der Anfang vom Sammeln.
Als ich die Ausgabe von Zeit ohne Grenzen aus dem Balowa Verlag auf einem Flohmarkt gekauft habe, hatte ich schon einiges von Dick – auch die spätere Ausgabe von Time Out of Joint, neu übersetzt als Zeitlose Zeit bei Goldmann.  Die Balowa-Ausgabe kannte ich gar nicht … und habe sie mir nur gekauft, weil ich die mutmasslich erste Ausgabe von Dick in Deutschland haben wollte – obwohl sie nicht ganz billig war: ich habe, glaube ich, damals 10 DM gezahlt. Viel für ein Buch, das ich gar nicht lesen wollte und wo man ansonsten für die meisten SF-Taschenbücher höchstens 1 DM bezahlen musste. Also definitiv meine erste echte Sammel-Tat: Bis dahin hatte ich von Dick nur versucht an möglichst viele unterschiedliche Romane und Kurzgeschichten heranzukommen, in der Zeit vor dem Internet war das nicht einfach.
Zeit ohne Grenzen von Philip K. Dick, links die seltene Leinen-Ausgabe mit Schutzumschlag, rechts die übliche Leihbuchausgabe in Supronyl, erschienen bei Balowa, ziemlich sicher im Jahr 1962
Zeit ohne Grenzen ist – vermutlich – von 1962, obwohl Wikipedia – und die Deutsche Nationalbibliothek – derzeit etwas anderes behaupten, nämlich ca. 1965. Das Buch selbst enthält keine Angaben, aber die Seiten, die sich mit Leihbüchern beschäftigen, z. B. in der Science Fiction Leihbuch Datenbank, nennen überwiegend 1962 als Erscheinungsjahr  und in diesem Fall traue ich einer Fanseite mehr als einem Bibliothekar, der gezwungen war, ein Erscheinungsjahr zu schätzen (kein Eintrag im Bibliothekskatalog ohne Jahr!). Ebenso nennt die SF Leihbuch Datenbank Heinz Zwack als Übersetzer, eine Angabe, die im Buch ebenfalls fehlt, vielleicht weil man sich als seriöser Übersetzer nicht mit Science Fiction Leihbüchern in Verbindung bringen lassen wollte (allerdings hatte er da schon bei Moewig in der Terra-Reihe einige Kurzgeschichten übersetzt). Zwack war hinterher mit seiner Übersetzung nicht ganz zufrieden, er musste auch arg kürzen – lesenswert ist dieses Ausgabe also nicht.
Zeit ohne Grenzen ist auch nicht die erste selbstständige Ausgabe von Dick in Deutschland, die diversen Romanhefte von Semrau sind älter, dieses Buch ist jedoch in jedem Fall die erste gebundene des Taschenbuch-Autoren Dick. In den USA war bis dahin nur eine gebundene Ausgabe von ihm erschienen: die (heutzutage recht teure) Erstausgabe ebenfalls von Time Out of Joint bei Lippincott von 1959.

Ein kurzer Exkurs zu Leihbüchern

Bis in die späten 70er Jahre gab es private, kostenpflichtige Leihbüchereien, die im Gegensatz zu den öffentlichen Büchereien Trivialliteratur, also Western, Kriminal- und Frauenromane oder eben auch Science Fiction angeboten haben. Und es gab Verlage, die speziell dafür besonders robuste Bücher im für Büchereien praktischen Einheitsformat 18x12,5 cm mit dicken Seiten und stabilem Umschlag angeboten haben. Der Einband mit einem bunten Titelbild war dabei oft in Supronyl, Plastikfolie, eingebunden. Es gab rund 1.000 solcher Leihbücher. Leider konnte ich den Gestalter des Titelbildes von Zeit ohne Grenzen nicht ermitteln. Der Originalpreis waren 6,80 DM.
Interessant für den Sammler ist, dass es zusätzlich zur Standardausgabe auch eine in gelbes Leinen gebundene Ausgabe mit Schutzumschlag gibt, der Originalpreis waren 7,80 DM. Der Buchblock der beiden Ausgaben ist identisch. Diese Leinenausgaben werden sehr selten angeboten, viel seltener noch als auch die gesuchtesten Edition Phantasia-Ausgaben von Dick, die allerdings viel hübscher sind und auch in kleiner Auflage erschienen. Bei den normalen Leihbüchern geht man von initial 2000 Exemplare aus, die nach Bedarf – und ohne Kennzeichnung im Buch, es gibt hier keine „Auflagen“ – nachgedruckt wurden.
Zeit ohne Grenzen ist bei Balowa mit der Verlagsnummer 300 als einer von rund zwei Dutzend Bänden Science Fiction in der Reihe Bestseller des Kosmos erschienen.
Als Hinweis für den Erwerb ist zu erwähnen, dass Exemplare der Leihbücher in der Regel gelaufen sind, d. h. sie sind verliehen worden und durch oft viele Hände gegangen. Und schlimmer noch, sie sind, wie im Leihbetrieb üblich, vielfach gestempelt und es sind, meist hinten, Taschen eingeklebt, in denen die Leihscheine aufbewahrt wurden; diese Taschen wurden dann beim Aussondern häufig wieder (grob) herausgerissen. Der Erhaltungsgrad solcher gelaufener Bände kann also beliebig schlecht sein, trotzdem lassen sich auch die schlechtesten Exemplare noch verkaufen. Denn hier konkurriert der Dick-Sammler mit dem Leihbuch-Sammler.
Meine erste Ausgabe von damals ist aber schön erhalten, nicht gestempelt und ohne Tasche, die Leinenausgabe ist sogar in noch besserem Zustand. Bei so einem Buch ist es eine gute Idee bei einem seriösen Antiquariat zu suchen und nicht bei einem Privatanbieter – obwohl man da natürlich eher ein gutes Geschäft machen kann. In jedem Fall ist dies ein Buch, dass in guter Erhaltung nicht ganz einfach zu finden ist, die Ausgabe in Leinen ist überhaupt nur sehr (wirklich sehr!) selten zu finden.
Die bibliographischen Angaben zu den beiden Bänden finden sich in der Liste der Einzelausgaben in diesem Blog, hier gibt es mehr zum Thema Leihbücher.
Mein Web-Tipp ist der Online-Katalog der Deutsche Nationalbibliothek zu Philip K. Dick, die –ausserhalb dieses Blogs – wohl vollständigste Liste aller deutscher Ausgaben von Dick.

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