Samstag, 25. April 2015

Zwillinge

Einzelne Ausgaben präsentieren sich rätselhaft – bis das Rätsel gelöst bzw. die Ausgabe ergattert ist. Die Anschaffung von Philip K. Dicks Eine Bande von Verrückten hatte sich aufgeschoben, weil der Band nur recht teuer angeboten wurde.
Zuerst kam der deutlich häufiger zu findende gebundene Band vom Reidar Verlag (1987) in die Sammlung. Es ist die deutsche Erstausgabe in der Übersetzung von Gero Reimann, unter Mithilfe von Jennifer K. Klipp-Reimann. Reimann hat sich auch sonst sehr um Dick bemüht. Diese gebundene Ausgabe hat einen schönen blauen Leineneinband mit Schutzumschlag mit einem bunten Motiv, das stark an die Paladin-Ausgabe erinnert, die allerdings erst 1989 erschienen ist (fairerweise erinnert die Paladin-Ausgabe somit wohl an die Ausgabe von Reidar).
Es waren dann viele Hinweise auf eine broschierte Ausgabe zu finden, vom Betzel Verlag, allerdings wurde diese nirgendwo angeboten. Es gab auch Bilder, allerdings war kein Unterschied zur gebundenen Ausgabe zu finden und gelegentlich waren Verlag, Erscheinungsdatum und ISBN zwischen den Ausgaben vertauscht; teilweise fehlt bei Angeboten auch jegliche Angabe zu Verlag und Format. Sicher bezüglich solcher Angaben kann man sich eigentlich nur bei Ausgaben sein, die man in der Hand hatte – zumal die Ausgabe von Betzel nicht in der Deutschen Nationalbibliothek nachgewiesen ist. Möglicherweise handelte es sich also nur um einen Geisterband, ein Phantom, das nur als Trugbild in den Tiefen des Internets existierte … aber nicht in einem Bücherregal.
Als der Band dann auf dem Marktplatz von Amazon aufgetaucht ist, lag er schnell auf meinem Tisch; leider gebunden und von Reidar. Auf Rückfrage beim Anbieter, der sich offenbar an ein bestehendes Angebot auf dem Marktplatz angehängt hatte (und der Einband sieht ja vorderseitig wirklich identisch aus) und mit Hinweis auf die unterschiedlichen ISBNs, die ja durchaus als Identifikation dienen kann, kam doch leichtes Unverständnis („die Nummer? ISBN?“). Bei einem Profi-Anbieter, sprich Antiquariat, wäre das eher nicht passiert; nun ja.
Beide deutsche Ausgaben von Eine Bande von Verrückten von Philip K. Dick:
Reidar (1987), gebunden (links) und etwas kleiner Betzel (1993), broschiert (rechts)
Schliesslich ist der Band irgendwo doch noch einmal broschiert aufgetaucht und bei mir gelandet – mit ununterscheidbarem Umschlagbild, nur das – auf Bildern schwer zu erkennende – Format ist etwas kleiner. Das Layout des Textes ist allerdings deutlich anders, so hat die gebundene Reidar-Ausgabe 228 Seiten, die broschierte von Betzel 245 Seiten. Beide Ausgaben haben aber eine dreiseitige Einführung von Dick, die ich im englischen Original noch nicht finden konnte.
Die Widmung an seine letzte Frau Tessa – Widmungen sind eine schwierige Sache und über Ausgaben hinweg keinesfalls konstant – steht in beiden Büchern (und auch in den englischen Ausgaben):
Für Tessa,
jenes dunkelhaarige Mädchen, das sich um mich kümmerte, als es am meisten darauf ankam, nämlich andauernd. 
Für sie in Liebe.
Bei Betzel fehlt – hoffentlich irrtümlich und nicht absichtlich – jeder Hinweis auf die Übersetzer; es handelt sich aber augenscheinlich um dieselbe Übersetzung.
Sowohl Reidar als auch der Betzel Verlag existieren nicht mehr, eine weitere deutsche Ausgabe der Verrückten hat es nicht mehr gegeben. Auch in den USA kam 1975 die erste Ausgabe der Confessions of a Crap Artist in verschiedenen Ausgaben bei Entwhistle Books, einem kleinen Verlag, heraus, den ein Enthusiast gegründet hatte: Paul Williams, ein Fan und Freund von Dick, der nach seinem Tod sein literarisches Erbe für rund zehn Jahre verwaltet hat. Die oben genannte Paladin-Ausgabe hat auch eine Einführung von Williams.
Immerhin kam Confessions noch zu Lebzeiten von Dick heraus. Alle anderen Mainstream-Romane sind in den USA erst nach seinem Tod erschienen – und von diesen noch nicht alle auf Deutsch. Lesenswert sind sie, vielleicht weniger für den Science Fiction Leser – obwohl es auch um UFOs geht – aber auf jeden Fall für den Fan von Dick. Die Verrückten gehört für mich zu einem der besten Werke von Philip K. Dick.
Die bibliographischen Angaben zu den beiden Bänden finden sich in der Liste der Einzelausgaben.
Der Web-Tipp bezieht sich dieses mal auf Paul Williams; es ist der Blog seiner Frau, Beloved Stranger. Auch wenn Dick dort direkt keine grosse Rolle spielt, so spielt Paul Williams eine grosse Rolle in der Dick-Welt. Und natürlich ist der Blog einfach lesenswert.

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