Samstag, 1. August 2015

Androidenträume

Die Verfilmung von Do Androids Dream of Electric Sheep?, im Englischen oft mit dem Akronym DADoES abgekürzt, war sicher in vieler Hinsicht ein Durchbruch für Philip K. Dick und immerhin konnte er den Anfang davon noch erleben. 1981 sieht er die Rohfassung des Blade Runner als Privatvorführung und ist begeistert: Verschiedene Äusserungen zeugen davon (u. a. ein Brief an Jeff Walker, einen Verantwortlichen der Produktionsfirma, der sich vielerorts im Netz findet, u. a. hier). Dick schreibt an anderer Stelle auch, dass er seinem Verlag sein eigenes Exemplar der Erstausgabe von DADoES schicken musste, damit es neu aufgelegt werden kann und der Verlag wohl anders nicht mehr an den Text gekommen ist (offenbar ist die Doubleday-Erstausgabe gemeint).
Neu schreiben (lassen), quasi als Buch zum Film, wollte er DADoES übrigens nicht, Dick hat damit wohl viel Geld ausgeschlagen. Er hat aber das Erscheinen unter dem Kino-Titel, Blade Runner, erlaubt. Und im Buch wurde in den folgenden englischen Ausgaben das Jahr der Handlung geändert, von 1992 auf 2021; in die deutschen Übersetzungen fand diese Änderung keinen Eingang.
Deutsche Erstausgabe von Blade Runner unter dem Originaltitel
Die deutsche Erstausgabe von Träumen Roboter von elektrischen Schafen? von Philip K. Dick aus dem Jahr 1969, erschienen beim Marion von Schröder Verlag, mit englischer Broschur, heutzutage mit meist zerbröselnder Umschlagfolierung
Für den Sammler ist DADoES ein reiches Feld. Blade Runner ist sicher einer der am meisten gesammelten Filme, zumindest, wenn man von solchen Merchandising Industrien wie Star Wars und Star Trek absieht. Ich bin persönlich überwiegend an Papier interessiert, die scheinbar unzähligen VHS, DVD, Video Disc oder Titelmusik-CDs usw. haben (fast) keinen Eingang in die Sammlung gefunden, ebensowenig wie das Merchandising drumherum, also Figuren, Bausätze usw.
Es bleibt aber genug interessantes Papier. Zuerst einmal ist DADoES derzeit das Buch von Dick mit den meisten Ausgaben im Englischen wie auch im Deutschen – und auch über alle Sprachen hinweg.
Bereits 1969, also schon im Jahr nach dem Erscheinen der englischen Erstausgabe, kam Träumen Roboter von elektrischen Schafen? beim Marion von Schröder Verlag in Deutschland heraus. Leider sind Exemplare dieser Ausgabe oft schlecht erhalten, da sich die Folierung löst und die Bindung bricht. Als Strategie sei hier empfohlen, ein gutes Exemplar zu erwerben und es dann so wenig wie möglich zu berühren.
1971 erschien dann eine gekürzte Übersetzung mit unverändertem Titel bei Heyne; hier ist dann leider auch das Zitat von Yeats und die Zeitungsmeldung verloren gegangen – sowie die Widmung: To Maren Augusta Bergrud, August 10, 1923  June 14, 1967. Maren Bergrud war Dicks (vierte) Schwiegermutter, mehr dazu kann (und sollte) man bei AvenitaNet lesen; auch ihr Grabstein findet sich im Netz.
Die vier Ausgaben von Blade Runner bei
Heyne, 1971 noch unter dem Titel Träumen
Roboter von elektrischen Schafen?
1982 erscheint eine Ausgabe bei Heyne unter dem Titel Blade Runner, mit neuem Titelbild (u. a. mit Harrison Ford) und dem – auf acht Fotoseiten eingehaltenem – Versprechen Das Buch zum Film mit zahlreichen Fotos. Dieses Buch kommt bis 1993 auf neun (mir bekannte) Auflagen und hat damit mehr als die sechs Auflagen von Ubik bei Suhrkamp. Ob man alle neun – bis auf das Impressum, Preis und die Angabe der Auflage – identischen Auflagen in seiner Sammlung haben muss oder nur die erste oder nur irgendeine ist sicher eine persönliche Entscheidung bzw. hängt von der Philosophie der Sammlung ab. Mit der Zeit wird der Anspruch aber meist wachsen und man sollte neuere Auflagen lieber nicht vorzeitig aussondern, sondern erst mal behalten.
Heyne legte dann 1998 mit einer unveränderten Ausgabe mit neuem Titelbild, aber weiterhin mit dem verkaufsträchtigerem Titel Blade Runner in der Allgemeinen Reihe nach. Die im Rahmen der Philip K. Dick Edition im orangen Einband und auf dickem Papier erschienene Ausgabe von 2002 beruht schon auf der Überarbeitung bei Haffmans.
1993 kam der Haffmans Verlag mit einem erstmals gebundenen Blade Runner heraus, dessen Titelbild auf den Film anspielt. Die Übersetzung war hier erstmals überarbeitet und enthielt wieder Widmung, Yeats-Zitat und Zeitungsmeldung. 1997 ist dann eine zweite Auflage unter dem Titel Träumen Androiden von elektrischen Schafen? mit einem Szenenfoto aus dem Film erschienen.
Blade Runner bei Bertelsmann
Blade Runner bei Bertelsmann
von 2003 (oben) und
1991 (unten)
1991 und 2003 kamen zwei recht unterschiedliche, gebundene Ausgaben bei Bertelsmann heraus. Diese typischen Buchclub-Ausgaben sind gebunden und haben keine ISBN. Der Band von 1993 erscheint beim Bertelsmann-Club, die 2003er Ausgabe bei RM Buch und Medien, der Handelsregistereintragung des Clubs. Diese zweite verwendet auch die überarbeitete Übersetzung.
Die bisher letzte Ausgabe des Blade Runner ist dann 2014 bei Fischer in der Klassik Reihe erschienen, wie alle Fischer-Klassik-Ausgaben ein Nachdruck der entsprechenden Heyne-Ausgabe. [Update: 2017 ist bei Fischer eine Neuübersetzung erschienen, 2019 eine weitere Ausgabe.]
Insgesamt sind somit elf für eine umfassende Sammlung relevante Bücher erschienen, wenn man die unveränderten Auflagen ignoriert; mehr gibt es für kein Buch von Dick. Die grösste Schwierigkeit bei diesen elf Bücher dürfte es wohl sein, eine gut erhaltene Ausgabe der Erstausgabe zu finden, erhältlich sind sonst alle Bände. Eine Erstausgabe des 1982er Heyne Blade Runner ist ebenfalls schwer zu finden, allerdings weil die meisten Angebote dieses Buches keine Aussagen über die Auflage machen; hier muss man, wenn man darauf Wert legt, jeweils nachfragen - und geduldig sein.
Die englische Erstausgabe, die 1968 bei Doubleday als Hardcover erschienen ist, ist eine der wohl wertvollsten Ausgaben von Dicks Büchern überhaupt, hier werden derzeit mittlere vierstellige Beträge fällig. Auch die britische Ausgabe ist recht teuer. Ein weiterer Grund, die deutschen Ausgaben zu sammeln und nicht die englischen.
Eine wichtiger Einfluss für die Verfilmung war der Comic The Long Tomorrow von Moebius, der sich später auch einmal direkt einem Roman von Dick gewidmet hat, dazu später an anderer Stelle mehr.
Ganz am Schluss noch ein Wort zu den drei Blade Runner Fortsetzungen, die ich hier nur erwähne, weil K. W. Jeter, der Autor, ein Freund von Dick war; letztlich habe ich die Bände auch nur deshalb in meiner Sammlung. Wie erwähnt hat sich Dick persönlich sehr positiv über Jeters frühen Roman Dr. Adder geäussert. Blade Runner II, die erste der Fortsetzungen, ist dann 1997 auch, ebenfalls in Übergrösse, bei Haffmans erschienen, 1999 bei Heyne, wo dann auch Blade Runner: Die Rückkehr (2004) als Sammelband der ersten und der zweiten Fortsetzung herausgekommen ist. Die dritte Fortsetzungen Blade Runner: Eye and Talon (auch Blade Runner: Beyond Orion) gibt es seit 2000 – bisher nur in UK bei Gollancz. Natürlich musste auch der, nun ja, bekannte Philip K. Dick Trust zustimmen, daher vielleicht auch die Widmung Für Laura, Isa und Christopher, Dicks Kinder und Eigentümer des Trusts.
Bibliographisches gibt es auf der separaten DADoES Seite hier im Blog.
Die Menge der Seiten zum Thema Blade Runner ist natürlich fast unendlich. Mein Web-Tipp ist die spanische Seite My Blade Runner, die zwar nicht mehr ganz aktuell ist, aber eine schöne, wenn auch nicht ganz vollständige, bebilderte Liste von Blade Runner Ausgaben verschiedener Länder und weiterer Bücher von Dick hat. Es werden auch noch weitere Collectibles gezeigt, insgesamt eine beeindruckende Sammlung.

2 Kommentare:

  1. Interessanter Blog! ... Was ich an der deutschen Erstausgabe (die ich für 1 Euro in hervorragendem Zustand online erworben habe) am interessantesten finde: Am Umschlagentwurf ist Heinz Edelmann ("Yellow Submarine", Cover für die grüne "Herr der Ringe"-Ausgabe im Klett-Verlag) beteiligt, das Foto von Dick ist etwas skurril (Warum lässt er sich mit Handschuhen ablichten?) und auf dem Klappentext ist bereits von einer geplanten Verfilmung die Rede.

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    1. Danke für den Kommentar! Ich freue mich immer, mal einen Leser "persönlich zu sehen" (und nicht nur die Statistiken bei blogger).
      Man kann auf jeden Fall Schnäppchen machen, bei dieser Ausgabe ist das Risiko die Erhaltung ... meine Ausgabe ist auch recht gut, aber diese Folierung ist wirklich nicht für die Ewigkeit gemacht.
      Mit den Umschläge (der deutschen Ausgaben) habe ich mich noch nicht so viel beschäftigt ... ich erfasse die jetzt auch erst im Nachhinein, bei älteren Ausgaben fehlen die Angaben, die muss man anderweitig finden.
      Die Geschichte der Verfilmung findet sich ganz gut u. a. in Pink Beam von Lord RC - ein Standardwerk für den PKD-Sammler: Optioniert wurde DADOES schon kurz nach dem Erscheinen 1968 vom Produzenten Bertram Berman, darauf bezieht sich der Klappentext wohl. Wie so oft im Filmgeschäft wurde daraus aber nichts und die Option wurde 1973 von Herb Jaffe übernommen. Der liess die Option auch verfallen und so landete sie 1978 bei Hampton Fancher, der sie dann nach einigen Umwegen verfilmte.
      Und das Bild - oh ja! Tatsächlich habe ich das Bild sonst noch nirgendwo gesehen. Und so viele Bilder sind von ihm ja nicht im Umlauf, da wiederholt sich einiges. Zum Thema Bilder lohnt sich auch mal ein Blogeintrag.

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