Samstag, 23. Februar 2019

Was für ein Theater

Es gibt zahlreiche Bearbeitungen der Literatur von Philip K. Dick in der darstellenden Kunst, hauptsächlich sind das Verfilmungen seiner Werke. Dazu kommen noch mehr Filme, die offensichtlich nachhaltig von Dick beeinflusst sind (auch wenn sie das nicht immer zugeben wollen). Im Bereich des Theaters aber gibt es nur wenige Bearbeitungen. Im Deutschen findet sich nur ein Tanztheater, das auf Uwe Antons Willkommen in der Wirklichkeit basiert, in der Dick als Figur auftritt. Im Englischen gibt es Brian Aldiss' Kindred Blood in Kensington Gore von 1991, über das in diesem Blog noch zu berichten sein wird, ebenfalls ein Stoff in dem Dick als Person auftritt.
Flow My Tears, the Policeman Said in der Bearbeitung für das Theater von Linda Hartinian
Als einzige Bearbeitung eines Stoffes von Dick gibt es Flow my Tears, the Policeman Said von Linda Hartinian, die auch eine enge Freundin von Dick und seiner Frau Tessa war.
Laut Einführung im Script wurde es ursprünglich am 18. Juni 1985 aufgeführt, dann noch einmal 1988 in New York, laut Interview (siehe unten) mehrere Aufführungen im Mai 1999 in Kalifornien und – laut anderer Quelle – am 7. September 2000 an der Universität von Pittsburgh. Das Textheft trägt das Copyright 1990 und keinerlei Angaben zur Auflage.
Die ersten Worte des Stücks, ein Voiceover, sind The love in this book is for Tessa. Das reflektiert natürlich Dicks Widmung im Roman: The love in this novel is for Tessa, and the love in me is for her, too. She is my little song und vielleicht auch Hartinians Freundschaft zu Tessa.
Im Interview sagt Linda Hartinian selbst, dass sie nur bestehende Sätze aus dem Roman genommen oder neu zusammengefügt hat, allerdings hat sie – bedingt durch das Medium – den Inhalt um mindestens acht von zehn gekürzt und dabei noch den wichtigsten Teil übrig gelassen. Das ist sicher eine literarische Leistung, die man aber nach der Lektüre selbst bewerten sollte. Spannend ist das Ergebnis in jedem Fall und es hat einen eigenen Charakter – eben den eines Theaterstücks. Hartinian hat wohl auch zeitweise mit Tod Machover an der Oper Valis gearbeitet. Einen zeitgenössischen Bericht vom Besuch des Stücks findet man im Netz.
Der englische Titel zitiert das Lautenlied Flow my Tears des auch heute noch populären englischen Renaissancekomponisten John Dowland. Man kann vermuten, dass dieser lyrische Bezug Walter Brumm, den ersten deutschen Übersetzer, davon abgehalten hat, den Titel wörtlich zu übersetzen.
Dick hat Dowland sehr geschätzt. In seiner Kurzgeschichte Orpheus mit Pferdefuß [Orpheus with Clay Feet] tauch er als Jack Dowland auf, erschienen ist die Geschichte unter diesem Pseudonym aber ziemlich sicher nicht, (wirklich nicht, Leute, auch wenn es überall steht – selbst Wikipedia hat nicht immer recht). Auch in Die göttliche Invasion nimmt Dick Bezug auf Dowland.
Anhören kann man es sich die Komposition von Dowland in verschiedenen Versionen bei diversen Anbietern, z. B. auch bei Vimeo, es gibt sogar einen eigenen deutschen Wikipedia-Eintrag für Dowlands Flow My Tears.
Drei deutsche Ausgaben von Flow My Tears, the Policeman Said,
von links: Heyne (1977) und Heyne (1984) mit der Umschlagzeichnung
von C. A. M. Thole und ganz rechts Fischer (2015)
Auf Deutsch ist Flow My Tears, the Policeman Said in vier Ausgaben unter dem Titel Eine andere Welt erschienen. Nach der Erstausgabe bei Heyne (1977) und der Neuausgabe in der Bibliothek der Science Fiction Literatur (1984) folgte 2004 eine Neuübersetzung von Michael Nagula für die Philip K. Dick Edition, die dann auch für die Ausgabe bei Fischer von 2015 übernommen wurde.
Das Textheft lässt sich antiquarisch relativ bezahlbar finden, für eine Sammlung – und nur dafür lohnt es sich wohl – bitte unbedingt die häufigen ex-lib vermeiden, die als Leseexemplar natürlich durchaus geeignet sind. Aber hier im Blog geht es ja ums Sammeln, nicht ums Lesen. Tatsächlich kann man das Heft auch noch (etwas umständlich) beim Herausgeber bestellen. Über die steile Portomauer muss man in jedem Fall.
Die Erstausgabe des Romans von 1974 ist – für ein Doubleday Hardcover – fast noch bezahlbar, es gibt jedoch verschiedene Auflagen, die teilweise als Remainder, also quasi Mängelexemplare, gekennzeichnet sind – Levack meint aber in seiner Bibliography, dass das den Wert teilweise sogar erhöhen kann.
Die deutschen Ausgaben stellen, wie alle Ausgaben von Heyne, kein Problem bei der Beschaffung dar, man sollte daher sehr wählerisch mit der Qualität sein und – man kann es nicht oft genug sagen – bitte die bei diesen Ausgaben notorischen Remittenden vermeiden. Die Ausgabe von Fischer ist natürlich überall im Buchhandel noch verlagsneu erhältlich.

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