Samstag, 13. Februar 2016

Spiegel, Spiegel in der Hand

Die Amazon-Serie The Man in the High Castle hat auch in Deutschland das Interesse für den amerikanischen Schriftsteller Philip K. Dick wieder geweckt – ein bisschen immerhin. Der Spiegel bringt in Ausgabe 51 des vorigen Jahres (2015) bereits eine Kritik der Serie.  Jetzt führt Frank Thadeus ein Interview mit Tessa Dick, seiner fünften Ehefrau, das man in der Ausgabe 4/2016 auf Seite 108–110 nachlesen kann; online gibt's immerhin eine Vorschau.
Ein Interview mit Tessa Dicks, der fünften Ehefrau von Philip K. Dick
Spiegel 4/2016 mit einem Interview mit Tessa Dick, der fünften Ehefrau von Philip K. Dick
Es gibt nichts von und nur wenig über Tessa Dick auf Deutsch, daher ist dieses Interview so spannend. Spannend ist auch, dass Tessa Busby Dick, Busby ist ihr Mädchenname, tatsächlich über ihren Sohn Christopher und den Philip K. Dick Trust spricht. Befriedigen kann das Interview in dieser Beziehung kaum, passt es doch wenig zu Tessa Dicks Äusserungen in einem ihrer Blogs und auf Facebook, in denen sie glaubhaft ihre argen finanziellen Probleme schildert. Oder sollte der Trust wirklich ein paar so falsche Entscheidungen getroffen haben, dass die drei Kinder „nicht reichgeworden sind“ und Tessa Dick daher nur recht ungenügend unterstützen können? Über die Klage gegen Google, die wohl zu den falschen Entscheidungen zählt, kann man auch im Spiegel online nachlesen. Mehrfach verklagt wurden auch die Produzenten des Films Der Plan, die Rechte des Trusts nicht bezahlen wollten, die der Trust nie hatte.
Das Interview ist bei der Schilderung der Beziehung zwischen Tessa Dick und dem Trust weniger verständlich, wenn man aber Tessa Dicks Klagen gegen den Trust und das vom Trust veranlasste Verschwinden eines von Tessa Dicks Bücher noch dazunimmt, entdeckt man zumindest komplizierte Familien-Verhältnisse. Aber sicher ist ein Interview in einem grossen deutschen Nachrichtenmagazin nicht der richtige Ort, seine Familienverhältnisse zu ordnen …
Tessas Äusserungen zu Philip K. Dicks Werk, Beziehungen, (nicht vorhandenem) Drogenkonsum, Scheidung und Frauen können den Kenner seiner Vita nicht überraschen. Eine kleine Sensation versteckt sich aber doch noch im Artikel: Beinahe beiläufig wird ein Anruf von John Lennon in den Siebzigerjahren erwähnt, in dem er Dick mitteilt, dass der Beatles-Song Paperback Writer sich auf ihn bezieht. Das klingt absurd, selbst wenn man in Betracht zieht, dass Dick ja ein paperback writer war und sich selbst oft so bezeichnete, da seine Bücher fast (zunächst) ausschliesslich als Paperbacks erschienen – und der angesehene Philip K. Dick Award wird aus diesem Grund ja auch an einen Titel verliehen, der in Erstausgabe als Paperback erschienen ist. Die Verbindung von Dick zu John Lennon geht aber wohl über Paul Williams und Timothy Leary. Es gibt verschiedene Berichte über Telefonate von Dick mit John Lennon, auch während des berühmten bed-ins in Amsterdam im März 1969:
[Dick] [r]eceives phone call from Timothy Leary who is attending John Lennon and Yoko Ono’s "bed-in" in a Montreal hotel. Leary puts Lennon and Ono on the phone; they discuss their admiration for his novel The Three Stigmata of Palmer Eldritch and their desire to adapt it to film.
Spiegel 22/2005 mit einem
Artikel über Philip K. Dick
Das steht so in Jonathan Lethems Chronology des Jahres 1969, die man im Anhang der drei schönen The Library of America Bände findet, z. B. auf Seite 809 der Four Novels of the 1960s. Aber Philip K. Dick ist ein unzuverlässiger Berichterstatter und auch das Timing scheint falsch: Als Paperback Writer 1966 entsteht, kannte Paul Williams weder Dick noch Lennon persönlich – und diese sich daher wohl auch nicht. Und ob Dicks Ruf als ausgewiesener paperback writer schon bis zu den Beatles durchgedrungen war, erscheint doch fraglich. Und schliesslich gibt es auch Aussagen von Lennon und McCartney selbst zu diesem Lied, die Dick nicht erwähnen. Nun ja. Passen tut die im Text geschilderte prekäre finanzielle Lage mehr als gut auf Dick im Jahr 1966. Eine Beatles CD kommt aber auf jeden Fall nicht in meine Sammlung.
Bereits 2005 gab es im Spiegel in der Nummer 22 einen Artikel, von Christoph Dallach, über Dick: Paranoia-Typen von nebenan. Auf dem Titelbild war der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder, der ein halbes Jahr später von Angela Merkel abgelöst wurde. Der Artikel finden sich online bei Spiegel. Das Exemplar in meiner Sammlung ist leider nicht so schön. Exemplare werden noch regelmässig zu angemessenen Preisen auf einer populären Versteigerungsplattform angeboten – selbst mehr als zehn Jahre alte Magazine sind also noch problemlos zu beschaffen.
Ein kurzes Interview von 2008 findet sich (auf Englisch) bei der französchen Webseite Dickien.
In einem älteren Blogeintrag habe ich bereits über Tessa Dick und auch Dicks dritte Ehefrau, Anne R. Dick, geschrieben; darauf sei hier noch mal verwiesen.

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