Samstag, 9. März 2019

Aus der Asche

Ubik in der Ausgabe von Phoenix (2012)
Erst kürzlich ist mir an einer britischen Ausgabe von Philip K. Dicks Ubik ein Detail aufgefallen, das nur einen Sammler interessieren kann. Der Leser, den das interessiert, muss befürchten, dass in ihm – mehr oder weniger tief – ein Sammler steckt.
Es geht um eine Ausgabe von Phoenix von 2012, ISBN 978-1-78022-037-6. Phoenix ist ein Imprint, also eine Marke, die wie ein eigenständiger Verlag behandelt wird, tatsächlich aber (wie auch Gollancz) zur Orion Verlagsgruppe gehört.
Erwähnenswert, aber noch nicht besonders auffällig an dieser Ausgabe ist, dass sie – für ein relativ neues Taschenbuch – meist nur relativ teuer angeboten wird. Gelegentlich findet sich aber auch ein günstiges Angebot, vermutlich weil der Anbieter dem Buch seinen (vermeintlichen?) Wert nicht ansieht. Vielleicht ist diese Ausgabe ein Beispiel für ein "heimlich" wertvolles Exemplar.
Orion hat sich dann 2017 entschlossen, beim Imprint Weidenfeld & Nicolson eine fast? identische Ausgabe mit neuer ISBN (978-1-4746-0743-8) herauszugeben, die derzeit auch überall verlagsneu erhältlich ist.
Ausschnitt aus dem Cover von Ubik, Phoenix (2012) mit Terry Gilliam in
rot, der helle Streifen am unteren Rand ist ein Artefakt des (schlechten) Scans
Auf dem Cover meiner Phoenix Ausgabe (1. Auflage) ist das Testimonial von Terry Gilliam nach dem Wort got getrennt und hinter dem Zitat steht der Name Terry Gilliam in rot.
Cover von Ubik mit Terry Gilliam in schwarz, diese Bild sieht man oft,
sowohl für die Ausgabe von Phoenix (2012) als auch für Orion (2017)
Man findet im Netz aber für beide Ausgaben (fast) nur ein Cover abgebildet, in dem Terry Gilliam in schwarz geschrieben ist, ausserdem steht got als letztes Wort der ersten Zeile.
Ich vermute, dass beide Ausgaben das gleiche Cover haben, so wie es der Scan meiner Ausgabe hier zeigt, also mit einem roten Terry Gilliam. Das vielgezeigte Cover ist vermutlich eine frühe Version, die fürs Marketing benutzt wurde – und wird! – die es aber nicht wirklich gibt.
Do Androids Dream of Electric Sheep? in der
Ausgabe von Gollancz (2010) in der Variante mit which
im kurzen Untertitel für GBP 7,99, das Umschlagbild ist
übrigens vom schaffensfreudigen Chris Moore
Für das erste Cover spricht auch, dass es schöner ist: Der Text ist besser gegliedert und den Namen rot abzusetzen, ist eine schöne Idee.
Das Problem der abweichenden Cover begegnet dem interessierten Sammler noch an weiteren Stellen. Weitere Beispiele begegnen uns bei Gollancz, ebenfalls ein Imprint von Orion. So bei der Ausgabe von Do Androids Dream of Electric Sheep? von 2010. Eine grosse Zahl der Abbildungen im Internet zeigt das Cover mit drei Zeilen unter dem Titel.
Meine Ausgabe – und alle Fotos von Ausgaben, die ich daraufhin untersucht habe – zeigt aber nur einen einzeiligen Untertitel. Allerdings gibt es auch bei diesem Untertitel drei Varianten: Zunächst steht da The novel which became BLADE RUNNER. Dabei ist dieser Untertitel entweder länger als das darüber stehende Electric Sheep? (Variante 1) oder kürzer (Variante 2). Und es gibt den Untertitel The Novel that became BLADE RUNNER (Variante 3). Der Preis für diese Ausgaben ist GBP 7,99, Variante 2 ist auch für GBP 8,99 nachgewiesen, man könnte also annehmen, dass dies die aktuellste ist.
Ich denke, dass mit den drei Zeilen mal wieder eine Version des Covers verbreitet wird, die es gar nicht gibt, Verlagsmaterial eben; Fotos davon waren nicht zu finden.
Schön übrigens, das der Roman bei Gollancz unter seinem Originaltitel veröffentlicht ist, in Deutschland gibt es nur noch den Blade Runner. Nun ja.
Ein deutsches Beispiel für dieses Problem ist Nick und der Glimmung von Edition Phantasia (2000). Das Bild auf der Verlagsseite weicht z. B. bei der Positionierung des Titels deutlich von zumindest meiner Ausgabe ab, die man hier sehen kann; und ich gehe fest davon aus, dass es keine abweichende Ausgabe gibt. Der Verlag zeigt also vermutlich einen früheren Entwurf des Umschlagbildes.
Do Androids Dream of Electric Sheep?, Gollancz (2010),
mit einem Cover, das es wohl so nicht gibt, mit dreizeiligem Zitat:

'Dick's best work, and the most memorable
alternative world tale ever written'
SCIENCE FICTION: THE 100 BEST NOVELS
Verwirrender wird alles, weil das Bild des Verlags häufig andernorts bequemerweise kopiert wird.
Letztlich ist auf das Internet eben kein Verlass, wir sehen, dass selbst die Informationen der Webseiten der Verlage fehlerhaft sind. Wirklich glauben kann man nur den Exemplaren, die man selbst in der Hand hatte (darum sammeln wir ja) – und vielleicht auch noch Fotos. Die üblichen Beispielbilder sind zumindest unzuverlässig, genauso wie Fotos des Anbieters, wenn es sich offensichtlich nicht um Fotos handelt, sondern um Verlagsmaterial.
Langer Untertitel: The novel which became BLADE RUNNER  ich besitze
diese Ausgabe nicht, es handelt sich aber zweifelsfrei um ein Foto, diese
Ausgabe gibt es also (fast) ganz sicher, für GBP 7,99
Untertitel: The novel that became BLADE RUNNER für GBP 8,99
Ob man solche Varianten in seiner Sammlung braucht – wenn sie denn wirklich existieren – oder nicht, ist natürlich jedem selbst überlassen. Die Beschaffung ist aber schwierig, die kommerziellen Anbieter mit den genannten Beispielbildern lassen die Unterscheidungen kaum zu – hier fischt man besser in der Bucht oder bei Privatanbietern, die häufig mit Fotos anbieten.
Bei der Recherche zum erstgenannten Ubik ist mir im Den of Geek! ein netter Artikel zur Mode in diesem Roman über den Weg gelaufen, auf den ich hier hinweisen möchte: Es geht um ein bizarres Detail und war mir bei der Lektüre gänzlich entgangen. Es gibt aber sogar einen Comic, von Ned Sonntag, der das Thema Men's Fashion of the Future! aufnimmt: Er ist im Heavy Metal Magazin von September 1983 zu finden, aber (Update: war) auch zu sehen im Internet Archive (links unten) …

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