Dies ist keine Werbung! Kaufen Sie
dieses Buch nicht! Oder ... dem Leser sei wenigstens angeraten, sehr sorgfältig darüber
nachzudenken, ob er dieses Buch wirklich haben muss:
wahrscheinlich nicht!
Peng! Du bist tot! |
Dieses klassische Buch wurde ursprünglich vor Jahrzehnten veröffentlicht als The Gun. Es wurde jetzt von Writat für seine deutschsprachigen Leser ins Deutsche übersetzt. Bei Writat liegt uns die Bewahrung des literarischen Erbes der Vergangenheit am Herzen. Wir haben dieses Buch ins Französische [sic!] übersetzt, damit heutige und zukünftige Generationen es lesen und bewahren können.Offenbar handelt es sich um ein erstes Druckerzeugnis der im Englischen sehr zahlreichen Ausgaben gemeinfreier Texte von Dick: Rund zwei Dutzend Kurzgeschichten aus den frühen Jahren sind in den USA mutmasslich in die Public Domain gefallen. Diese werden in grosser Zahl als Print-on-Demand Drucke bei den einschlägigen Plattformen, allen voran Amazon, angeboten. Die Ausstattung ist meist spärlich, die Qualität mässig und der Preis immerhin der eines Taschenbuches. Dafür bekommt man den Text einer Kurzgeschichte, manchmal auch mehrerer. The Gun ist in mehr als einem Dutzend englischer Einzelausgaben und zahlreichen Anthologien dieser Art erschienen.
Diese deutsche Ausgabe ist nun neu. Die ungeklärte Situation der
Urheberrechte in Deutschland – ein abgelaufener Schutz in den USA bedeutet
wohl nicht ganz automatisch, dass der Urheberschutz auch in Deutschland
aufgehoben ist – und der zusätzliche Aufwand einer Übersetzung (eine
Übernahme der deutschen Übersetzung wäre ganz sicher eine Verletzung des
Urheberrechts, die die deutschen Verlage sicher verfolgen würden) haben
ähnliche deutsche Angebote wohl bisher geblockt (allerdings gab es schon
zwei Kurzgeschichten auf Deutsch für den Kindle: ebenfalls The Gun und Beyond Lies the Wub, davon ist
keine Spur mehr zu finden). Man kann vermuten, dass Writat (oder wie
auch immer der Anbieter heisst) nicht in Deutschland beheimatet ist – sollte
die indische ISBN ein Hinweis sein, kann man vermuten, dass der Anbieter in
seinem Heimatland keine juristische Bedrängnis befürchtet, selbst wenn die
Grundlage dafür gegeben wäre.
Haffmans (links) und Zweitausendeins (rechts) – zwei sehr reelle Bücher mit der Kurzgeschichte Die Kanone |
Was ist nun das Problem mit dieser Ausgabe? Sollte man sich nicht über jede
deutsche Ausgabe freuen? Meine Sorge gilt nicht dem Trust, dem hier
Lizenzzahlungen entgehen, als vielmehr dem Käufer des Buches: Man zahlt
verhältnismässig viel Geld für 22 Seiten und ein (hässliches) Stockfoto. Und
man darf vermuten, dass die Übersetzung schlecht ist, der Werbetext
zumindest ist ein wenig holprig. Einschränkend muss ich gestehen, dass
ich dieses Produkt nicht besitze und ausschliesslich auf Basis analoger englischen Produkte (und meiner niedrigen Erwartungen) urteile, denn es
findet sich nichts, das ein optimistischeres Urteil erlauben würde – eine
indische ISBN, Stockfoto, liebloser (fehlerhafter) Werbetext, wenig Inhalt
und dazu ein hoher Preis.
Der Bezug auf eine französische Übersetzung im Werbetext resultiert daraus,
dass der Anbieter eine ähnliche französische Ausgabe anbietet (und man dabei wohl ein bisschen durcheinandergekommen ist, was ebenso gegen die Qualität spricht): Le pistolet. Auch für Frankreich ist das ein Novum.
Die Motivation für dieses Buch ist einfach: hier soll schnell ein bisschen
Geld verdient werden. Die Übersetzung wird maschinell sein und wenn man
weiss, was man tut, dann ist so ein Angebot bei Amazon in kurzer Zeit
zusammengestellt, das macht sich schon mit ein paar Verkäufen bezahlt. Man
darf vermuten, dass es sich um einen Versuch handelt – ein Grund mehr das
nicht durch einen Kauf zu unterstützen und weitere Ausgaben dieser Art zu
provozieren.
The Gun ist erstveröffentlicht in der September-Ausgabe von
Planet Stories im Jahr 1952 – auf den Seiten 46 bis 53, ein Seite
davon eine zeittypische Illustration der Kanone. Es handelt sich also um
sieben (grosse) Seiten Text. Mehr (oder weniger) dazu bei der Encyclopedia Dickiana.
Wer Dicks Kurzgeschichte The Gun lesen möchte, hat einige Optionen:
Im englischen Original als
Scan der Erstveröffentlichung im Internet Archive, mit Originalillustration. Oder online bei Projekt Gutenberg in diversen Formaten. Gedruckt findet sie sich nur ein Nachdruck im australischen
Magazin Science Fiction Monthly #12 von 1956 sowie in den diversen
Ausgaben der Collected Stories im Band 1. Im September erscheint
bei Orion mal wieder eine britische Ausgabe der Collected Stories,
die hier im Blog vorgestellt wird (auch wenn wenig Neues zu erwarten sein
wird).
Auf Deutsch sind die beiden Ausgaben der Sämtlichen Erzählungen die
einzigen Veröffentlichungen. Und was für welche: Gebunden und von Walter
Grossbein als Die Kanone übersetzt, erhält man antiquarisch für
rund den halben Preis ein wertiges Buch. Haffmans hatte die fünf
englischen Bände in zehn Bände geteilt, dort finden wir im wunderschönen
ersten Band Und jenseits – das Wobb auch die Kurzgeschichte Die Kanone auf 19 Seiten, mit einem Dutzend weiterer Geschichten
auf insgesamt 360 Seiten. Zweitausendeins hat dann 2008 wieder auf fünf Bände
reduziert und so haben wir im gleichnamigen ersten Band 640 Seiten mit gut zwei Dutzend
Kurzgeschichten. Bibliophilie, Nachhaltigkeit, Qualität und Preis sprechen
also sehr laut – eigentlich schreien sie – gegen Die Waffe, selbst wenn hier der Preis
(gravierend) sinken sollte (was nebenbei die Frage aufwirft, ob dieses
Buch nicht unter die Buchpreisbindung fällt, da es ja vermutlich „überwiegend in Deutschland abgesetzt werden“ dürfte). Und dem Sammler sei gesagt: weitergehen, es gibt hier nichts zu sehen.
Persönlich würde ich die Lage etwas anders bewerten, wenn es einen Mehrwert geben würde, eine Einführung, ein Essay ... oder wenigstens ein paar ansprechende Illustrationen.
Hier im Blog gibt es noch alle (oder zumindest sehr viele) Public Domain Ausgaben und eine Bibliographie aller Kurzgeschichten auf Deutsch (in das ich dieses Erzeugnis – zumindest vorläufig – aufgenommen habe).
Falls ein Leser dieses Blogeintrages das beschriebene Erzeugnis trotz
Warnung doch besitzt (oder wenigstens kennt), so mag er bitte Rückmeldung geben – Vertraulichkeit
sei zugesichert, jeder macht mal einen Fehler (ggf. auch der Autor dieses
Eintrags).
Preise
"Die Waffe", Writat (2023). Um 26 (!) Euro (bitte nicht kaufen, trotzdem
ein Link)
"Planet Stories", September 1952 - ab 40 Euro und auch viel mehr,
zuzüglich (viel) Porto aus den USA
"Beyond Lies the Wub", Grafton. ISBN 0-586-20764-3. 510 Seiten -
antiquarisch ab 5 Euro
"The Collected Stories of Philip K. Dick, Volume 1". Orion (2023) ISBN
978-1399611237. 624 Seiten. Neu um 15 Euro. Ab 14 September
überall, wo es Bücher gibt
"Und jenseits – das Wobb", Haffmans (1998). 363 Seiten - antiquarisch ab 15
Euro
"Und jenseits – das Wobb", Zweitausendeins (2008). 640 Seiten -
antiquarisch ab 10 Euro
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