In der Sammlung gibt es tatsächlich
immer noch einige deutsche Exemplare, die ausgewechselt werden
müssen. Remittenden sind (eigentlich) nicht akzeptabel und nur noch in der
Sammlung, weil sie schon lange dabei sind und dieser Sammler zu faul ist,
die Exemplare auszutauschen: das ist nämlich gar nicht so einfach.
Der Doktor fliegt zum Hausbesuch - nicht jedes Umschlagbild passt |
Es gibt viele Angebote, auch für diese Ausgabe von
Schachfigur im Zeitspiel von Moewig (1983), aber bei den
wenigsten lässt sich sicher erkennen, dass es sich nicht um eine
Remittende handelt. Fotos zeigen in der Regel nicht den Fussschnitt, wo
die Markierung eines „Mängelexemplars“ meist zu finden ist und die
wenigsten Verkäufer schreiben explizit „keine Remittende“. Ansonsten gut
erhaltene Exemplare werden oft als „sehr gut“ angeboten – trotz Markierung
als Mängelexemplar. Selten findet sich eine Bemerkung, die anmerkt, dass
das Buch als Mängelexemplar markiert sei, aber eigentlich mängelfrei. Das
stimmt vielleicht … eigentlich; für die meisten Sammler ist aber die
Stempelung als Mängelexemplar ein gravierender Mangel, selbst wenn
sonst alles perfekt ist. Und so ist die Suche nach Ersatz mühsam, denn
gerade bei den Ausgaben von Moewig ist die Quote der Remittenden sehr
hoch.
Schachfigur im Zeitspiel ist aber billig und vielfach zu
finden, sehr billig und noch einfacher, wenn man eine Remittende in Kauf
nimmt. Und das, obwohl es sich um einen Single handelt, die
einzige Ausgabe dieses Romans auf Deutsch.
Angesichts der Qualität dieses Werks von Dick, ist das auch durchaus
angemessen: Es mag sich hier um Dicks schlechtesten Roman handeln. Die
ersten vier Kapitel sind grauenvoll, das ganze Buch unlogisch:
Wo sind die Alten geblieben (die es trotz medizinischer
Versorgung doch auch geben muss)?
Die Schwächen haben wohl damit zu tun, dass Dick hier eine Novelle
erweitert hat, Time Pawn. Diese Novelle erschien auf 39 Seiten im
Magazin Thrilling Wonder Stories (Sommer 1954) und erklärt
auch den deutschen Titel: der Pawn ist der Bauer im Schachspiel,
der deutsche Titel also ganz angemessen.
Dicks hat die Geschichte dann auf Buchlänge, 118 Seiten, gestreckt und
der Roman ist bei Ace 1960 als – der Protagonist ist
Arzt Dr. Futurity erschienen; aber dieser Titel
war offenbar schwer zu übersetzen, so hat man sich an die Novelle
gehalten; kann man so machen.
Inhaltlich haben wir alles, was von erwarten kann: eine starke
dunkelhaarige Frau, Brüste, irgendwo auch eine Katze; und es gibt
Parallelen von Geburtstag (16.10., wenn auch nicht 16.12. wie Dick) und
Alter des Protagonisten (32) zu Dick, die nicht zufällig sind. Dick hat
eine recht elegante Lösung für das Zeitparadoxon und man findet diverse
sozialkritische Anmerkungen (Verstaatlichung), das sieht man sonst
selten so direkt bei ihm. Ansonsten fehlt dem Roman fast alles: das
Verhalten des Protagonisten ist nicht nachvollziehbar, es gibt zu viele
gravierende Widersprüche, zu viel bleibt offen. Pflichtlektüre ist das
nur für den Fan.
Ausschnitt einer Illustration von Virgil Finlay für Time Pawn, die Dick sicher gefallen hat |
Das deutsche Titelbild ist zwar hübsch anzuschauen, passt aber nicht
ganz zum Inhalt: Ist das Dr. Parson auf dem Teppich – oder Aladin?
Und Zuhause?
Es gibt nur wenige englische Ausgaben: natürlich als Teil der (fast)
Gesamtausgaben von Vintage und Mariner, sonst aber nur eine Einzelausgabe
in den USA (Berkley, 1984) und zwei britische Ausgaben (Eyre Methuen, 1976
und Magnum, 1979). Ansonsten ist Dr. Futurity in einigen
Sammelbänden erschienen – auch die Ersterscheinung bei Ace (1960) war ein
Double mit John Bruners
Slavers of Space (ebenfalls kein Meisterwerk), schon 1970/73
in zwei (mittlerweile sehr teuren) Sammelbänden bei Sidgwick, die
auch schon
im Blog erwähnt
sind und in den 3 Early Novels von Gollancz. Selbst das unbeliebte
The Ganymede Takeover kommt auf mehr (reguläre) Ausgaben.
Eine Sammler-/Luxusausgabe von Dr. Futurity ist 2021 bei
Centipede Press erschienen, zusammen mit
The Unteleported Man und Vulcan's Hammer – drei der
schlechtesten Romane von Dick. Vielleicht waren die Rechte günstig zu
haben und als Sammler (das kann ich bestätigen) ist einem beim Kauf der
Inhalt ja weitgehend egal. Diese drei Bände waren seinerzeit schwer zu
bekommen und sind jetzt sehr teuer (und fehlen in meiner Sammlung).
Eine ausführliche Rezension zu Dr. Futurity findet sich im schönen und lesenswerten Blog
Science Fiction and Other Suspect Ruminations von Joachim Boaz.
Den
Text von Time Pawn kann man z. B. bei Wikimedia
nachlesen. In der Encyclopedia Dickiana findet man
mehr zu Time Pawn
und
zu Dr. Futurity.
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