Samstag, 22. Juli 2023

Schach ... matt

In der Sammlung gibt es tatsächlich immer noch einige deutsche Exemplare, die ausgewechselt werden müssen. Remittenden sind (eigentlich) nicht akzeptabel und nur noch in der Sammlung, weil sie schon lange dabei sind und dieser Sammler zu faul ist, die Exemplare auszutauschen: das ist nämlich gar nicht so einfach.
Fly, fly away ...
Der Doktor fliegt zum Hausbesuch - nicht jedes Umschlagbild passt
Es gibt viele Angebote, auch für diese Ausgabe von Schachfigur im Zeitspiel von Moewig (1983), aber  bei den wenigsten lässt sich sicher erkennen, dass es sich nicht um eine Remittende handelt. Fotos zeigen in der Regel nicht den Fussschnitt, wo die Markierung eines „Mängelexemplars“ meist zu finden ist und die wenigsten Verkäufer schreiben explizit „keine Remittende“. Ansonsten gut erhaltene Exemplare werden oft als „sehr gut“ angeboten – trotz Markierung als Mängelexemplar. Selten findet sich eine Bemerkung, die anmerkt, dass das Buch als Mängelexemplar markiert sei, aber eigentlich mängelfrei. Das stimmt vielleicht … eigentlich; für die meisten Sammler ist aber die Stempelung als Mängelexemplar ein gravierender Mangel, selbst wenn sonst alles perfekt ist. Und so ist die Suche nach Ersatz mühsam, denn gerade bei den Ausgaben von Moewig ist die Quote der Remittenden sehr hoch.
Schachfigur im Zeitspiel ist aber billig und vielfach zu finden, sehr billig und noch einfacher, wenn man eine Remittende in Kauf nimmt. Und das, obwohl es sich um einen Single handelt, die einzige Ausgabe dieses Romans auf Deutsch.
Angesichts der Qualität dieses Werks von Dick, ist das auch durchaus angemessen: Es mag sich hier um Dicks schlechtesten Roman handeln. Die ersten vier Kapitel sind grauenvoll, das ganze Buch unlogisch: Wo sind die Alten geblieben (die es trotz medizinischer Versorgung doch auch geben muss)?
Die Schwächen haben wohl damit zu tun, dass Dick hier eine Novelle erweitert hat, Time Pawn. Diese Novelle erschien auf 39 Seiten im Magazin Thrilling Wonder Stories (Sommer 1954) und erklärt auch den deutschen Titel: der Pawn ist der Bauer im Schachspiel, der deutsche Titel also ganz angemessen.
Dicks hat die Geschichte dann auf Buchlänge, 118 Seiten, gestreckt und der Roman ist bei Ace 1960 als – der Protagonist ist Arzt Dr. Futurity erschienen; aber dieser Titel war offenbar schwer zu übersetzen, so hat man sich an die Novelle gehalten; kann man so machen.
Inhaltlich haben wir alles, was von erwarten kann: eine starke dunkelhaarige Frau, Brüste, irgendwo auch eine Katze; und es gibt Parallelen von Geburtstag (16.10., wenn auch nicht 16.12. wie Dick) und Alter des Protagonisten (32) zu Dick, die nicht zufällig sind. Dick hat eine recht elegante Lösung für das Zeitparadoxon und man findet diverse sozialkritische Anmerkungen (Verstaatlichung), das sieht man sonst selten so direkt bei ihm. Ansonsten fehlt dem Roman fast alles: das Verhalten des Protagonisten ist nicht nachvollziehbar, es gibt zu viele gravierende Widersprüche, zu viel bleibt offen. Pflichtlektüre ist das nur für den Fan.
Ausschnitt einer Illustration von Virgil Finlay
für Time Pawn, die Dick sicher gefallen hat

Die Illustrationen in Thrilling Wonder Stories sind von Virgil Finlay, zu dem die deutsche Wikipedia etwas jovial schreibt: Während seiner besten Zeit war Finlay der berühmteste Illustrator von Science-Fiction- und Fantasy-Geschichten in Amerika. Finlay wurde vor fast genau 109 Jahren, am 23. Juli 1914 in Rochester, New York geboren und ist 1971 gestorben. Sein Eintrag bei ISFDB gibt einen Eindruck vom enormen Umfang seines Wirkens.
Das deutsche Titelbild ist zwar hübsch anzuschauen, passt aber nicht ganz zum Inhalt: Ist das Dr. Parson auf dem Teppich – oder Aladin?

Und Zuhause?

Es gibt nur wenige englische Ausgaben: natürlich als Teil der (fast) Gesamtausgaben von Vintage und Mariner, sonst aber nur eine Einzelausgabe in den USA (Berkley, 1984) und zwei britische Ausgaben (Eyre Methuen, 1976 und Magnum, 1979). Ansonsten ist Dr. Futurity in einigen Sammelbänden erschienen – auch die Ersterscheinung bei Ace (1960) war ein Double mit John Bruners Slavers of Space (ebenfalls kein Meisterwerk), schon 1970/73 in zwei (mittlerweile sehr teuren) Sammelbänden bei Sidgwick, die auch schon im Blog erwähnt sind und in den 3 Early Novels von Gollancz. Selbst das unbeliebte The Ganymede Takeover kommt auf mehr (reguläre) Ausgaben.
Eine Sammler-/Luxusausgabe von Dr. Futurity ist 2021 bei Centipede Press erschienen, zusammen mit The Unteleported Man und Vulcan's Hammer – drei der schlechtesten Romane von Dick. Vielleicht waren die Rechte günstig zu haben und als Sammler (das kann ich bestätigen) ist einem beim Kauf der Inhalt ja weitgehend egal. Diese drei Bände waren seinerzeit schwer zu bekommen und sind jetzt sehr teuer (und fehlen in meiner Sammlung).
Den Text von Time Pawn kann man z. B. bei Wikimedia nachlesen. In der Encyclopedia Dickiana findet man mehr zu Time Pawn und zu Dr. Futurity.

Preise

"Schachfigur im Zeitspiel", Moewig Verlag, 1983, in guter Erhaltung ab vier Euro

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