Samstag, 28. Dezember 2024

Jahresrückblick 2024: Ein grosses Jahr

»Was für ein Jahr!«
Der Höhepunkt meiner Reise von, mit und zu Philip K. Dick ist sicher dieses vergangene Jahr gewesen: Natürlich wegen der Fahrt – oder fast schon Wallfahrt – zum 3. Philip K. Dick Fest in Fort Morgan.
Fort Morgan: Das Grab von Philip K. Dick
Das Grab: Phil und Jane
Bei dieser Fahrt kommt alles zusammen: Vorträge und kluge Diskussionen über Dick, Menschen zu treffen, mit denen man schon lange (wenn auch nur über das Netz) Kontakt hatte und mit denen man sich nun persönlich über das gemeinsame Interesse austauschen kann, eine Reise in ein spannendes Land, der Besuch von vielen Antiquariaten, in denen man einige schöne Stücke einfach so (versandkosten- und einführgebührenfrei!) finden und der Sammlung hinzufügen konnte und schliesslich der Besuch der Ruhestätte des Menschen, mit dem ich mich seit vielen Jahren schon so beschäftige. Und all das ist in einer besonderen Atmosphäre passiert, einem sehr heissen Sommer in Colorado, zuerst allein unterwegs, hinterher mit einem Abstecher in die persönliche Vergangenheit.
Gegen dieses Erlebnis war der spätere Besuch Kaliforniens, der sonst ein eigener Höhepunkt gewesen wäre, nur eine Ergänzung: Eine Besuch an vielen Orten, die in Dicks Leben eine Rolle gespielt haben: Cazadero, Point Reyes Station, Berkeley, Anaheim und San Francisco sowie der Besuch einiger weiterer Antiquariate. Über diese zweite Reise wird in diesem Blog zu berichten sein, aber andere Aktivitäten fordern ihren zeitlichen Tribut und auch darüber wird hier noch berichtet werden.
Erwähnt werden muss! auch das Philip K. Dick Filmfestival in Köln, auferstanden aus der Covid-Pause, auch hier konnte ich einige liebe Menschen wiedertreffen und hoffe auf ein nächstes Mal im kommenden Jahr.

Und hier im Blog?

Quantitativ hat der Blog in diesem Jahr einen (naturgemäss: neuen) Tiefpunkt erreicht. Nur 19 Beiträge gab es. Paradoxerweise ist das nicht dem sinkenden Interesse oder Engagement des Blogschreiber zu verdanken, sondern dem Gegenteil: die vielen Aktivitäten um das Thema haben das Schreiben und Dokumentieren im Blog zu kurz kommen lassen. Dafür ist der Gehalt von dem wenigeren hoffentlich noch grösser als in den quantitativ reicheren Jahren, ein Beispiel mag Tony und die Pyramiden sein.
Dreieinhalb neue Sprachen konnten wir in diesem Jahr der Sammlung hinzufügen und hier darüber berichten: Albanisch, Lettisch, Bengali – und eine Ausgabe aus Taiwan, die hier nur halb zählt. Nach einer längeren Pause bei den Übersetzungen ist das eine unerwartete Explosion. Im Mai gab es zwei Comics, ein Thema das dieser Blog auch kontinuierlich verfolgt und wo mehr zu erwarten ist.
Und wir haben in Zeitungen gestöbert und ein Aufgebot  und einen wirklich erstaunlicher Auftritt des sehr jungen Philip gefunden – ich bin ganz sicher, es lässt sich noch viel mehr finden und im Blog dokumentieren, also dranbleiben!

Und der Markt …

Bei den Neuerscheinungen sah es 2024 sehr mau aus: ein paar Blade Runner Comics von Titan (Englisch) und Panini (Deutsch), höchstens am Rand der Sammlung beheimatet, aber wirklich alles, was man finden kann. Für den englischsprachigen Raum ist das weniger erstaunlich, ist doch das Gesamtwerk (fast) vollständig in print; in Deutschland liess sich wenig anderes erwarten.
Auf der sekundären Seite sieht es besser aus: Das Highlight (für den Sammler in jedem Fall): Precious Artifacts, die Bibliographien von Wide Books. Zum Dick-Fest in Fort Morgan gab es
Precious Artifacts 4 / Preziosi Manufatti – A Philip K. Dick Bibliography: Italian Editions 1958-2024. Bereits im Frühjahr war die Neuausgabe des ersten Precious Artifacts: A Philip K. Dick Bibliography, US and UK Editions, 19552024, nach der Erstausgabe von 2012 nun aktualisiert und (leicht) überarbeitet. Beide Ausgaben sind jeweils als Hardcover und Paperback erhältlich, zumindest in einer Ausführung ein Muss für den ernsthaften Sammler.
Dem ernsthaften Fan sei auch das anspruchsvolle Worlds Built to Fall Apart: Versions of Philip K. Dick von David Lapoujade weiterempfohlen, die ursprüngliche (dringende!) Empfehlung kommt von Jonathan Lethem, der in Fort Morgan daraus gelesen hat, 2024 in englischer Übersetzung erschienen.

Und die Sammlung!

Ein guter Teil der Neuzugänge gehen auf den Besuch zahlreicher Antiquariate in den USA zurück, der unschlagbar günstigste Weg, die Sammlung (amerikanischer) Ausgaben zu erweitern (wenn man die Reisekosten nicht einrechnet). Tatsächlich waren echte Dicks nicht einfach zu finden, einiges aus dem Bereich Kuriosa musste die Lücke füllen.
Ein paar Highlights des Jahres seien genannt: die Centipede Sammlerausgabe, das teuerste Stück des Jahres, eine US-Ausgabe, die lokal gefangen werden konnte. Immer mehr Spass macht mir die besondere Ausgabe der Transmigration of Timothy Archer, eine association copy, die mir ganz unverhofft in die Sammlung gefallen ist. Schön auch Douglas Mackeys Philip K. Dick, das ich in Denver erwerben und gänzlich unerwartet am nächsten Tag in Fort Morgan signieren lassen konnte (wie auch Andrew M. Butlers The Pocket Essential: Philip K. Dick mit einer ganz speziellen Widmung; Butler war Vortragender, das zu signierende Exemplar daher aus der Sammlung mitgebracht). Ebenfalls signiert erworben (und lange vermisst) Uwe Antons Welcome to Reality: The Nightmares of Philip K. Dick, signiert von Paul Williams (es wäre schön hier Uwe Antons Unterschrift hinzuzufügen … ).
Es gab auch ein paar (wenige) deutsche Zugänge: Schwermetall 71 mit dem Comic Infiltration, der Brocken Das Hausbuch der literarischen Hochkomik von Haffmans mit zwei Exzerpten und ein paar Auswechslungen und Ergänzungen von fehlende Auflagen - viel Aufregendes ist in der deutschen Sammlung eben nicht mehr zu erwarten.

Film

Wenig Fortschritt gibt es bei Film und Fernsehen (bzw. Streaming): Die Amzon-Serie Blade Runner 2099, die vermutlich am wenigsten mit Philip K. Dick zu tun hat, scheint gesund und am Leben zu sein, die Produktion hat begonnen, die Namen von Mitwirkenden werden genannt. Erwarten darf man eine visuell starke Serie, die sich stark an Blade Runner 2049 anlehnt. Gut! auch wenn es nicht direkt Philip K. Dick ist.
Die anderen direkten Projekte wie die Romanverfilmungen von Vulcan's Hammer und Clans of the Alphane Moon, die Kurzgeschichtenverfilmung T-Minus sowie das Biopic-artige Jane haben in letzter Zeit nicht mehr von sich hören lassen.
Der Web-Tipp (mal wieder): @dickkoepfigsammeln auf Instagramm, neu in 2024 und mit (noch!) mehr Content im kommenden Jahr und – ganz wichtig – bei Facebook mit allen Neuigkeit zu und über Philip K. Dick.

Samstag, 21. Dezember 2024

Der Erste Auftritt

Vor langer Zeit, als Facebook noch en vogue war, präsentierte ein Benutzer dort stolz eine Kopie einer der ganz frühen Kurzgeschichten von Philip K. Dick. Das war wohl der Ausdruck von einem Microfiche, über Fernleihe von einer Bibliothek (in Berkeley?) angefordert. Ich habe dann begonnen, weitere Kurzgeschichten, die in den 40er Jahren in der Lokalzeitung erschienen waren, online zu suchen. Dank der Zeitungsscans von Google liessen sich viele dieser Geschichten auch aufspüren.
Dieser Tage bin ich jetzt noch einmal in die Welt der digitalisierten Zeitungen eingestiegen und konnte einen, wie ich finde, auf mehrerlei Weise bemerkenswerten Fund machen: die früheste (mir bekannte) Erwähnung von Philip K. Dick in der Öffentlichkeit: Ein Zeitungsartikel über den neunjährigen Philip. In der St. Joseph Gazette vom 14. Juni 1938 können wir aus Seite 2 (5. Spalte, ganz unten) lesen:
This Youngster Not Likely to Wander From Convention

KANSAS CITY. June 13. – (AP) – Philip Dick, nine years old, was told by his mother to "stay put” – but it really wasn't necessary.
His mother, Mrs. Dorothy K Dick, of the children's bureau, Washington, D. C. is in charge of a booth at the American Library Association convention.
Philip is in the next booth surrounded by 125 volumes of children's adventure stories.

Samstag, 14. Dezember 2024

Das Philip K. Dick Film Festival 2024 in Köln

Wieder! Nach einigen Jahren Pause war es so weit: das Philip K. Dick Film Festival in Köln, wohl das fünfte am Ort. Angefangen hatte die Veranstaltung in New York und ist dann nach Europa gekommen – natürlich nach Frankreich, nach Lille. Von dort ging es (u. a.) nach Köln, zuerst 2016, dann 2017 und wie hier im Blog berichtet 2018 und 2019. Das Jahr 2020 hat dann viele – besonders kleinere – kulturelle Veranstaltungen schwer getroffen, aber jetzt war es wieder soweit. Geholfen hat wohl, dass Lille schon seit 2021 weitergemacht hat. Dort fand das Festival in diesem Jahr über die üblichen zwei Tage statt, Köln hatte nur ein kürzeres Programm von einem Tag.
Wie üblich und gewollt, hatten die Filme ganz überwiegend keinen direkten, offenen Bezug zu Philip K. Dick. Der Zusammenhang zu Dick ergibt sich durch die dargestellten Themen: die Frage nach Realität und Menschlichkeit, aktuell ganz häufig im Zusammenspiel mit Künstlicher Intelligenz.
Aussenseite
Das Philip K. Dick Film Festival 2024 in Köln
Der Titel des ersten Blocks war Accelerate the Singularity. Das bezieht sich auf die Singularität als der Moment, wenn die KI intelligenter wird als der Mensch und die Kontrolle übernimmt. Und so geht es im ersten Block auch um Roboter und künstliche Intelligenzen: 

  1. Burner Face
  2. Skinjob
  3. I'm not a robot
  4. Purgy's
  5. Black Dragon
  6. Soulmate
  7. Echoes of June
Der erste Titel Burner Face läuft fast unbemerkt – fast ein Intro, keine Handlung oder Personen. Es folgt Skinjob, ein britischer Animationsfilm von 2017, der ganz direkt Blade Runner aufnimmt. Ein guter Start für den Abend und so ganz passend, weil es einen direkten Bezug zu Philip K. Dick hat – oder zumindest zu Blade Runner.
I'm Not a Robot verfilmt ein Internet-Meme: Lara erfährt in dieser niederländischen Produktion, dass sie ein Roboter ist, als sie ein CAPTCHA nicht lösen kann. Trotz der eher albernen Voraussetzung, sehr gut umgesetzt, das Ende ist vielleicht ein bisschen zu flach; der längste Film mit 22 Minuten.

Dan Abella, der amerikanische Vater des Philip K. Dick Film Festivals in New York, und Tobias Schmücking, Kölner Veranstalter, leiten den Abend ein
Purgy's vermittelt schon eine vorweihnachtliche Atmosphäre, es geht auch die Geister der Vergangenheit, Gegenwart und vielleicht auch der Zukunft. Mit Black Dragon reisen wir in den Vietnamkrieg und treffen andere Gespenster.
In meinem persönlichen Favoriten Soulmate sehen wir Mandeep Dhillon, die wir in der (hier empfohlenen) Serie After Life (Netflix) als junge Journalistin Sandy leider nur in den ersten zwei Staffeln sehen konnten. In Soulmate hat sie als Programmiererin eine gefährliche romantische Beziehung zu einer Figur aus einer Simulation: man darf ein bisschen an Fassbinders Welt am Draht denken.
Im Gegensatz zu Leichtigkeit von Soulmate, das trotzdem ernst bleibt, steht der Lokalmatador Echoes of Juno, der den ersten Block beschliesst. Der einzige deutsche Teilnehme kommt mit einem klaren didaktischen Auftrag und dieser Zeigefinger wischt diesem Zuschauer ein bisschen zu viel im Gesicht herum. In den vorigen Jahren gab es mehr deutsche Beiträge, das war sehr schön, auch weil teilweise die Macher vor Ort waren und über ihre Filme Auskunft geben konnten.
Ein Flyer mit dem Filmprogramm
Das Filmprogramm
Der zweite Block, A Parallax View, umfasste:
  1. I Am What You Imagine
  2. Sour Code
  3. Berdyans'k
  4. Demon Box
  5. A Passage
  6. Greed
  7. It's Not Up to Us
  8. First Time Machine
Es beginnt mit dem experimentellen Kurzfilm I Am What You Imagine. Experimentell, interessant. Sieht man sonst wohl nicht, sollte man aber. Source Code ist wieder nah an Dick: Bin ich ein Roboter? und hätte damit besser in den ersten Block gepasst, aber vielleicht ist eine Mischung besser. 
Berdyans'k spielt vor dem Krieg in der Ukraine und bleibt im Detail rätselhaft und unvollständig – hier ist ein Versprechen auf mehr, das hoffentlich eingelöst wird.
Demon Box ist ein sehr persönliches Stück des Regisseurs Sean Wainsteim – wenn man es sieht, kann man die vielen erlittenen Zurückweisungen nicht verstehen. Es folgen A Passage und Greed, eher konventionell und das gänzlich unkonventionelle visuelle Erlebnis It's Not Up to Us.
Trotz des ernsten Hintergrunds ist Time Machine doch ein heiterer Abschluss: das gute, alte Zeitparadoxon.
Die gezeigten Filme hatten durchweg eine hohe Qualität, teilweise waren sie professionell produziert oder zumindest von professionellen Produktionen nicht zu unterscheiden. Einige der Schauspieler, auf die oben nicht eingegangen wird, sind durchaus bekannt. Andererseits haben die Regisseure und Drehbuchautoren mit diesen Kurzfilmen die Chance etwas anderes oder anders zu machen – und da guckt man gerne zu.  
Vielleicht geht es im nächste Jahr auch mal nach Lille, ganz sicher aber wieder nach Köln, das sowieso immer eine Reise wert ist.
Hier ist eine Liste von Veranstaltungen über und zu Philip K. Dick, die noch viele Ergänzungen braucht und konstant erweitert wird.