Theater Bremen |
Diese Oper ist untypisch – wir sehen fünf Darsteller auf der Bühne im Nieselregen, die vor dem sich in der Feuchtigkeit auflösenden Hintergrund aus weissem Zellstoff stehen. Es ist das Jahr 2350 (oder so), die Menschen sind untergegangen und nun kommt auch für die fünf Replikanten auf der Bühne das Ende, The End. Auf der Bühne stehen – von rechts nach links – fünf Replikanten, die Rick Deckard (gespielt von Alexander Swoboda), Rachel Rosen (Annemaaike Bakker), KD6-3.7 (Nadine Geyersbach), Roy Batty (Matthieu Svetchine) und Dr. Eldon Tyrell (Justus Ritter) repräsentieren. Und natürlich repräsentieren diese Replikanten die genannten nur, sie spielen sie nicht, denn diese Replikanten erzählen von der fernen Vergangenheit, wie sie sich in den beiden Blade Runner Filmen abgespielt hat (oder wenigstens fast so). Und wenn man diese Filme kennt, weiss man, dass zumindest Batty, Rachel und Tyrell tot sind und Tyrell ziemlich sicher ein Mensch war.
Dr. Eldon Tyrell, Roy Batty, KD6-3.7, Rachel Rosen, Rick Deckard |
Leider ein TicketDirect, also eigentlich nichts für die Sammlung, man kann sich aber auch ein anständiges Ticket senden lassen |
Das Stück, meiner Erachtens eher keine Oper, ein Singspiel vielleicht, ist kurz: kompakt und intensiv nennen die Kritiken (siehe unten) das – nur eine knappe Stunde dauert der Vortrag. Und er ist kompakt und vor allem intensiv. Wahrlich. Das statische Format auf der Bühne verlangt auch diese Kürze. Und die Intensität sieht man den Darstellern am Ende bei der Verbeugung auch an, eine Stunde im Sprühnebel zu stehen verlangt wohl auch einiges ab. Und mit einem Platz in der ersten Reihe (neben der Souffleurin mit der ich vor dem Stück einige Worte wechseln durfte) spürte man die Intensität durch die Nähe noch stärker – und man fühlte das Wetter auf der Bühne.
Die Regie führte Felix Rothenhäusler, der Hausregisseur in Bremen. Die Musik stammt von zwei Schweizer Musikern, Jo Flüeler und Moritz Widrig, die auch auf – oder vielleicht eher hinter – der Bühne stehen, blauhaarig. Das Libretto, also der Text, stammt vom Bremer Autor Jan Eichberg und ist wohl leider separat nicht erhältlich. Ich hätte gerne noch mal nachgelesen – denn so sehr man der Vorlage Film gefolgt ist, Rachel hat doch keine Replikanten erschossen, oder? Aber vielleicht habe ich das auch falsch verstanden, darum würde ich gerne noch mal reinschauen ...
Für mich war dieser Opernabend ein ganz grosses Erlebnis, auch wenn das Format nicht ganz gross, opernhaft war, dafür aber enorm intensiv. Und Dicks Protagonisten sind normale Menschen, keine Wagner'sche Helden, also Menschen, die sich weniger für die klassische Oper eigenen. Insoweit ist das Format dem Autoren sehr angemessen.
Programm von The End. Eine Replikantenoper |
Und so schön die erwähnte Seite des Theaters ist bzw. die Bilder dort, so werden sie doch vermutlich bald verschwinden, um so wichtiger ist ein gutes Programm auf Papier, das – obwohl das Internet ja nie vergisst – die Dinge besser konservieren kann.
Es gibt tatsächlich auch andere Opern-Projekte basierend auf Werken von Philip K. Dick. Da ist Valis des Komponisten und Pionier der Musiktechnologie Tod Machover. Seine Oper wurde 1987 im Centre George Pompidou in Paris uraufgeführt, begleitet von Videoinstallationen, man kann das ein bisschen hier nachlesen.
Weiterhin gibt es noch Gero Reimanns Dick – Vom Sterben und Leben eines gott- und
Ein schönes Plakat, wohl nicht erhältlich |
Und es gibt natürlich Theaterstücke, die auf Dicks Werken basieren, vor kurzem erst Zeit aus den Fugen in Hannover oder in den USA Linda Hartinians Flow My Tears, the Policeman Said.
Es gibt noch Aufführungen von The End. am 28.11., 16.12. und 29.12., weitere mögen im nächsten Jahr folgen. [Update: Am 31.03./01.04.2020 hat nachtkritik.de das Stück - aus "saisonalen" Gründen - für 24 Stunden auf YouTube gestreamt.] Kaufen kann man sonst zum Stück in Bremen nichts, immerhin gibt es ein Programm, kostenlos sogar. Für den Sammler fällt also wenig ab. Aber problemlos kann man eine CD der Oper Valis von Machover in die Sammlung aufnehmen, weniger problemlos auch Reimanns Opernerzählung, auf die man auch schon mal warten muss – und wenn sie auftaucht, schwanken die Preise sehr stark.
Genannt seien am Schluss hier noch zwei der insgesamt positiven Kritiken, im Weser-Kurier und bei Radio Bremen. Und alles zu Philip K. Dick auf der Bühne gibt es hier im Blog.
Preise
"The End. Eine Replikantenoper", Kleines Haus Bremen. Ticket für 23 EuroTod Machover: "Valis", Audio-CD, bei 20 Euro
Gero Reimann: "Dick – Eine Opernerzählung", ISBN 3-925388-01-X, zwischen 10 und 50 Euro
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen