Früher war die regelmässige Fahrt in
die Bucht ein aufregendes Abenteuer oder zumindest ein gutes Erlebnis, es gab
frische Angebote und viel Neues. Heute fährt man fast nur noch durch den
herumtreibenden Zivilisationsmüll und die veraltete Technik macht nicht
nostalgisch, sondern missmutig.
Mit solchen Gefühlen war ich also wieder unterwegs,
eine Pflichtübung, weil man ja nie weiss … und wenn man sammelt, dann muss man
raus in die elende Bucht. An jenem Tag bin ich dann Robert Crumbs
religiöser Erleuchtung des Philip K. Dick in einer Ausgabe
begegnet, von deren Existenz ich erst kürzlich erfahren hatte. Und es handelte
sich um ein mutmassliches Einhorn, eine Ausgabe von der nicht einmal die
Existenz wirklich gesichert war, trotz Video und zahlreicher Spuren. Und die
Ausgabe tauchte an diesem Tag nicht einmal auf, sondern zweimal unabhängig
voneinander. Die Jagd begann. Hier in der Bucht muss man entweder mit dem
Schleppnetz fangen oder lauern – und dann blitzschnell zugreifen. Der
Kampf entschied sich dann im Morgengrauen, in letzter Sekunde konnte ein
Sniper abgewehrt werden … und es wurde etwas teurer als geplant.
Die religiöse Erleuchtung des Philip K. Dick ist als Band 30 der
Edition der Berliner Festspiele herausgekommen. Es enthält den
gleichnamigen achtseitigen Comic des US-amerikanischen Zeichners Robert Crumb
in der Übersetzung von Harry Rowohlt, darüber konnte man schon einmal
hier
im Blog lesen. Crumb illustriert darin in für ihn typischer Weise Kerngedanken
und -ereignisse von Dicks 2-3-74-pink-beam Episode.
Enthalten ist weiterhin ist das Essay
DREISSIG SEKUNDEN WIRKLICHKEIT – Zu Philip K. Dicks Epiphanie in Robert Crumbs Comic „Die religiöse
Erleuchtung des Philip K. Dick“ von Thomas Oberender. Oberender ist langjährigen Intendanten der
Berliner Festspiele, der die Leitung nun Ende des Jahres (2021) aufgibt. Die Berliner Festspiele veranstalten das ganze Jahr über verschiedene Festivals und Kunstausstellungen, Konzerte, Tanz- und Theateraufführungen, Lesungen, also kulturelle Aktivitäten verschiedenster Art.
Sein Essay nimmt Dick sehr ernst, kann auch den Bezug zu Crumb herstellen
und ist sicher lesenswert. Unklar bleibt mir der (direkte) Bezug zu den
Berliner Festspielen, aber künstlerische Freiheit ist wichtig – für Dick,
Crumb, Oberender und uns alle, sollte man denken, gerade in den aktuellen
Zeiten.
Robert Crumb, der Ende des Monats, am 30. August, 78 Jahre alt wird, hat den
Comic 1986 in Band 17 seiner Comic-Anthologie
Weirdo veröffentlicht. Diese
Reihe lief über 13 Jahre und enthielt Dinge und Themen, mit denen sich Crumb aktuell
beschäftigte. Persönlich gekannt haben sich die beiden nicht, Crumb hat Dick
dafür wohl etwas zu spät entdeckt. Befreundet war Dick aber mit einem anderen
grossen Comic-Autoren:
Art Spiegelman, hier im Blog.
In Deutschland wird Crumb nur als Teil der Gegenkultur wahrgenommen, nicht als
Teil der Hochkultur, in den USA stellt das Seattle Museum of Art seine
Originale als Teil einer Ausstellung „Graphic Masters: Dürer, Rembrandt,
Hogarth, Goya, Picasso, R. Crumb“ aus. Bemerkt sei nebenbei auch, dass
verschiedenen Seiten zu seinen Arbeiten, z. B. für
Weirdo, auf
Wikipedia nicht auf Deutsch vorliegen – aber immer auf Französisch, wo Comics
einen anderen Stellenwert haben.
Crumbs Religiöse Erleuchtung des Philip K. Dick basiert auf Zitaten aus
Kapitel 9 von
Philip K. Dick: The Last Testament
von Gregg Rickman (dazu später einmal mehr).
Die deutsche Übersetzung des Comics ist von Harry Rowohlt. Es handelt sich bei
der Edition aber nicht um die deutsche Ersterscheinung. Erstmalig
erschienen ist er 1992 beim Zweitausendeins Verlag in Crumbs Album
Ein Heldenleben – Geifersucht und Leidenschaft.
Das Exemplar gehört ganz sicher in meine Sammlung. Und auch, wenn es sich hier
nicht direkt um ein Werk von Dick handelt, ist es doch letztlich ein Text von
Dick, auch wenn dieser bearbeitet ist. Und in Kreisen Dick-Interessierter
taucht Crumbs Comic immer wieder auf. Also ein klarer Fall für jede Sammlung.
Wem eine elektronische Kopie reicht, der findet den offiziellen Download der Edition 30 hier. Auch das englische Original lässt sich vielfach im Netz finden, wohl
weniger offiziell.
Zu finden ist die Edition 30 derzeit nicht mehr schwer (und deutlich
billiger), dieser erste Fang war der Vorbote eines grösseren Schwarms
– aber wer konnte das wissen? Die Auflage ist mit 2.500 angegeben. Stücke
dieser Art, broschierte Hefte und Ähnliches, finden meist nicht den Weg in den
rettenden Bücherschrank, deshalb sollte man trotzdem schnell zugreifen, der
Schwarm zieht vorbei und Ausgaben werden schwerer zu finden. Unfindbar wird es
aber auch nicht werden, dafür ist die Auflage dann letztlich doch zu hoch
– und auch das Interesse. Denn auch für Crumb-Sammler – und die gibt
es bestimmt, obwohl auch das ein weites Feld zu sein scheint – handelt es
sich um ein attraktives Stück. Aber vielleicht taucht es doch noch im
Online Shop der Berliner Festspiele
auf und wäre dann etwas länger und leichter erhältlich.
Der Web-Tipp zu diesem Eintrag ist The Official Crumb Site, kommerziell, aber trotzdem einen Besuch wert. Bibliographisches zu den
Comics nach und über Dick findet sich auf der
Seite zu Comics hier im Blog.
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