Mal wieder eine Überraschung, eine
kleine Überraschung, aber jede Überraschung ist hier doch eine grosse
Überraschung: Ein Stück von Philip K. Dick in einer deutschen Publikation!
Fast zehn Jahre hat sich das diesem Blog entzogen, aber irgendwann … kriegen
wir sie (fast?) alle.
Letters of Note - Briefe, die die Welt bedeuten: manchmal auch für den Fan von Philip K. Dick |
Heyne folgte schon 2014 mit einer deutschen Übersetzung. Und einer dieser
ersten 125 Briefe ist von Philip K. Dick: er berichtet Jeff Walker
von seiner Begeisterung über den Ausschnitt von Blade Runner, den
er in einer Sendung im Fernsehen gesehen hat.
Jeff Walker arbeitete als Marketing Experte für die Produktionsfirma und
betreute Dick, der sich vorher sehr negativ über das Filmprojekt geäussert
hatte: er sollte den schwierigen Autoren „einfangen“.
Den Brief hat Dick am 11. Oktober 1981 geschrieben. Im November wurde er dann
zu einer exklusiven 20-minütigen Vorführung eingeladen, wo er auch
Ridley Scott traf. Die Bilder, die Dick dort gesehen hat, haben ihn
sehr begeistert und er hat sich überschwänglich darüber geäussert. Dick war
dort mit Maer Wilson, die sich in ihrem Buch über Dick auch auch darüber geäussert hat, man kann das im Netz nachlesen – und hier im Blog mehr über Maer Wilson und ihr Buch.
Die Beziehung von Dick und Blade Runner ist
kompliziert – und oft erzählt: Der Roman wurde fast sofort von Hollywood
optioniert und weitergereicht. Die ersten Drehbücher hat Dick dann – sehr
öffentlich und laut – abgelehnt, sich später verliebt und schliesslich den
fertigen Film, der ihn (ein bisschen) reich und berühmt gemacht hätte, vor
seinem Tod nicht mehr gesehen. Der Brief fällt in die frühe Phase der
Verliebtheit.
Und der Film ist ein Meisterwerk. Und vermutlich darum hat es dieser Brief
auch in die Letters of Note geschafft, nicht Philip K. Dick ist
hier interessant, es geht natürlich um Blade Runner, das muss man ganz
klar sehen. (Und trotzdem steht Dick nicht im Schatten dieses Films.)
Die deutsche Ausgabe ist sorgfältig gemacht: Man hat eine sehr grosse Zahl von
Übersetzern bemüht, 35, und man darf hoffen, dass man damit den
unterschiedlichen Texten Rechnung tragen will. Der Brief von Dick ist von
Stephan Glietsch übersetzt.
Die Briefe sind weitestgehend im Original zu sehen, es gibt im Buch sogar einen Abschnitt
über die darin verwendeten Fonts – man hat sich also durchaus bemüht, ein schönes, umfassendes Buch herauszubringen. Man muss verstehen, dass die Auswahl der Briefe sich vorwiegend an
ein britisches Publikum richtet und deshalb finden wir Queen Elizabeth,
Iggy Pop und Charles Darwin als Absender und sonst noch viele
US-Amerikaner, die meisten davon werden aber auch den deutschen Leser
interessieren.
Etwas verwirrend ist die Publikationsgeschichte des Buches bei Heyne: Nach der
deutschen Erstausgabe, gebunden (2014) erscheint eine offenbar identische
Neuausgabe 2020 mit neuer ISBN und dann 2022 eine Sonderausgabe mit ebenfalls
neuer ISBN. Erste und dritte Ausgabe haben 408 Seiten, die zweite, hier
gezeigte Ausgabe nur 370. Was fehlt? Ein Vergleichsexemplar fehlt in der
Sammlung, der Brief von Dick ist nicht gekürzt … aber die
Abdrucknachweise am Ende des Buches passen bei der Sonderausgabe auch nicht
zum Buch, die Seitenzahlen sind ganz falsch, man hat die Kürzungen hier nicht
eingerechnet; aber wer (ausser buchrechthaberischen Sammlern) guckt sich das
an? (Und so läuft's halt, wenn der unbezahlte Praktikant drangesetzt wird,
aus dem schönen Buch noch mal 30 Seiten rauszukürzen, um für die Sonderausgabe
in der Produktion zu sparen.)
Seltsamerweise ist im Buchhandel derzeit noch die zweite Ausgabe erhältlich aber nicht die letzte. Verwirrend, aber bei diesem Buch nicht wirklich wichtig.
Kaufen kann man Letters of Note antiquarisch allerorten in allen drei
Ausgaben in guter Erhaltung für wenig Geld: so ist das bei Büchern, die
verkauft werden, um sie zu verschenken: Sie landen in grosser Zahl in bester
Erhaltung im Antiquariat. Von der 2022 Sonderausgabe sei hier abgeraten, wenn
man die Wahl hat. Neu gibt es die Ausgabe von 2020 noch im Buchhandel, so wie
die Fortsetzung More Letters of Note und Letters of Note-Bände
zu den Themen Katzen, Krieg, Liebe, Mütter und weitere; eine (ökonomisch) brillante Idee im Zeitalter der Fortsetzungen und Serien. Zumindest dieser erste Band ist aber, das muss man zugestehen, ein
page turner: Sehr gut lesbar und spannend – und wenn nicht, ist man
schnell beim nächsten Thema. Auch ein Waffelrezept kann spannende Lektüre
sein, wenn es von Queen Elisabeth kommt.
Ein bisschen mehr über Walker und Dick kann man bei Vanity Fair nachlesen. Nachlesen kann man den Brief selbst auf der ursprünglichen Website Letters of Note.
Ein Überblick über alle auf deutsch veröffentlichten Briefe von Philip K. Dick
findet sich hier im Blog auf der Seite Essays (und anderes), vollständige bibliographische Angaben auf der Seite über Heyne und Dick.
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