Musik ist eine wichtige, zentrale Form der Kultur, aber leider keine
Kernkompetenz dieses Blogs: Man muss seine Grenzen erkennen. Trotzdem
muss hier über den Komponisten Bernd Richard Deutsch und sein
Werk Dr. Futurity für Ensemble berichtet werden.
Österreichische Musikzeitschrift 05 2013 mit einem Interview mit Bernd Richard Deutsch über Dr. Futurity |
Bernd Richard Deutsch ist ein österreichischer Komponist, 1977
geboren, ausgezeichnet mit einer
Reihe von internationalen Auszeichnungen, also offenbar durchaus renommiert und etabliert. Das Stück
Dr. Futurity hat er als Auftragswerk für das Solistenensemble
Klangforum Wien komponiert. Die Uraufführung des Stücks fand am 11.
Dezember 2012 im Konzerthaus in Wien statt unter der Leitung von Enno
Poppe. Das Stück hat drei Sätze: … trip- from Mars to here, Chimaera und Red Alert! mit einer
Gesamtlänge von 23:47.
Veröffentlich ist Dr. Futurity auf einer
CD, die zusätzlich die kurz vorher entstandenen Stücke Mad Dog und
das 2. Streichquartett enthält mit denen es durchaus eine Trilogie
bildet.
Für eine inhaltliche Bewertung zitieren wir Daniel Ender aus der
Österreichischen Musikzeitschrift vom November 2013:Der erste Satz … trip- from Mars to here) stellt ein flirrendes Geflecht von pulsierenden Repetitionen, Skalenausschnitten und Schlägen dar, ist polyrhythmisch durchgebildet und tiefenscharf durch dynamische Abstufungen innerhalb des Klangbildes. Wellen von auf- und abwärts gerichteten Läufen durchziehen ihn und bilden ein Element, das ihn mit den anderen Sätzen verbindet und so trotzgegensätzlicher Charaktere überraschende Verwandtschaften zutage fördert: mit Chimaera, wo durch Regenstäbe und Streicherflageoletts eine unwirkliche Stimmung beschworen wird, durch die ein langes Kontrabass-Solo ebenso geistert wie eine fremd anmutende Kantilene der Oboe d’amore; schließlich mit Red Alert!, wo Alarmsirenen grotesk und surreal aufheulen, wobei auch Alfred Hitchcock und dessen bevorzugter Komponist Bernard Herrmann ein wenig grüßen lassen.Wie hängt nun dieses Stück mit Philip K. Dick und speziell mit Dr. Futurity zusammen? Im Interview sagt Deutsch (Österreichische Musikzeitschrift 05 2013, 68. Jahrgang):
In der Zeit vor und während der Arbeit an Dr. Futurity las ich mehrere Romane und Kurzgeschichten des legendären amerikanischen Science-Fiction-Autors Philip K. DickWir brauchen also nicht jeden Takt mit einem Absatz des Romans vergleichen, zumal Deutsch im Interview später auch auf andere Romane verweist, so ist der Titel des ersten Satzes … trip – from Mars to here ein Satzfragment aus Do Androids Dream of Electric Sheep?. Das ist tröstlich, ist doch Dr. Futurity keiner der besten, eigentlich sogar einer der schlechtesten Romane des Meisters (findet dieser Blog). Das Fragment stammt übrigens aus dem 14. Kapitel von Do Androids Dream of Electric Sheep?:
[…]
Dr. Futurity ist der Titel eines frühen Romans von Philip K. Dick, einer Zeitreisegeschichte. Bei meiner Komposition handelt es sich allerdings nicht um Programmmusik, sie ist vielmehr als Hommage an den Autor gedacht und nur atmosphärisch mit einzelnen Szenen und Elementen aus seinen Büchern verbunden.
Isidore spoke up. “I-I-I gather from l-l-listening to Mr Baty that he's your n-n-natural leader.”
“Oh yes, Roy's a leader,” Irmgard said.Pris said, “He organized our – trip. From Mars to here.”
Pris zögert vor dem Wort trip: die Androiden machen nicht wirklich
eine Reise, sie sind auf der Flucht. Eine Reise vom Mars zur Erde ist
natürlich ein schönes musikalisches Motiv … darum geht es im Buch nicht.
Aber vielleicht hören wir ja auch eine Flucht.
Offenbar hat Deutsch das Zeitreisemotiv von Dr. Futurity begeistert,
ein Künstler wie Deutsch mag auch anderes in diesem Text sehen als der
Durchschnittsleser oder Fan.
In diesem Blog freuen wir uns also, dass Dicks Werk Deutsch zu einer Hommage
inspiriert hat. Und wir konstatieren, dass Dick hier Eingang in die
Hochkultur findet. Ich vermute (und behaupte), Deutsch bezieht sich nicht
auf Dick, weil er zufällig ein paar bunte, trashige SciFi-Taschenbücher
gefunden und gelesen hat, die ihm gefallen haben. Dicks Name und seine
Reputation waren ihm bekannt, er hat sich von ihm sehr bewusst inspirieren
lassen. Man kann und darf sich heute auch in der Hochkultur und im
Feuilleton mit
Trash beschäftigen, Deutsch hätte auch
Avengers & X-Men machen können – aber er hat es nicht gemacht.
Dick hat natürlich auch sehr viele Bands aus dem Bereich der
U-Musik inspiriert, von namhaften Künstler bis zu kleinen,
kurzlebigen Indie-Bands, von einzelnen Textzeilen über ganze Alben bis zum
Namen der Band … das ist einen eigenen Blogeintrag wert.
Anhören kann man sich (allem Anschein nach sogar legal)
den ersten Satz von Dr. Futurity bei YouTube, zu finden sind die Stücke auch bei Amazon und Spotify. Bei Gefallen ist
die CD
Mad Dog/ 2. Streichquartett/ Dr. Futurity noch beim Klangforum Wien erhältlich (17,90 Euro inklusive Versand nach Deutschland).
Mad Dog/ 2. Streichquartett/ Dr. Futurity noch beim Klangforum Wien erhältlich (17,90 Euro inklusive Versand nach Deutschland).
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