Samstag, 19. April 2025

Ein ausgesprochen guter Griff

Zu den frühesten Spuren, die Philip K. Dick jenseits seiner Publikationen – die erste  in Deutschland 1958 – hinterlassen hat, gehören Rezensionen in Fanzines. In meinem - bestimmt unvollständigem – Katalog ist die früheste Rezension von 1962. Erschienen ist sie im weiss-waligen Fanzine Anabis 3, geschrieben von Manfred Alex zum englischen Original The Man Who Japed.
Dokumentiert findet sich das in der Bibliographie deutschsprachiger SF-Stories, einer wichtigen Quelle für dererlei Recherche. Rezensiert wurde der Roman offenbar in der Erstausgabe von Ace von 1956 – ein Ace Double mit E. C. Tubbs The Space-Born. Nun ja: einer von Dicks schwächeren Romanen (aber immer noch besser als Schachfigur im Zeitspiel!) wird als mutmasslich erster in Deutschland untersucht. Immerhin hat Dick bei Ace ein hübsches Umschlagbild von Ed Emshwiller bekommen. Die deutsche Übersetzung ist erst 1981 bei Moewig erschienen und ein Single geblieben: weitere deutsche Ausgaben gab es nicht.
Da diese frühe Ausgabe von Anabis in der Sammlung fehlt, wissen wir nicht, was Alex zu sagen hatte; interessant wäre es (und wir liefern es hier nach, wenn die Rezension die Sammlung doch noch, in welcher Form auch immer, erreicht: Hinweise der Leser sind ausdrücklich erbeten!).
Ein schönes Fanzine
Munich Round Up Nr. 73 vom November 1964
(das Bild wurde leicht digital retouchiert)
Nach diesem schwierigen Start finden sich 1964 wohlwollende Kritiken zu Kurzgeschichtensammlungen, die in der Terra Heftromanreihe erschienen sind, im Fanzine Pioneer 17.
Dann bespricht Franz Rottensteiner in seinem Quarber Merkur, Nr. 4 von 1964, das auf Englisch gerade erschienene The Game-Players of Titan und ganz glücklich ist er damit nicht: „ein Versteckspiel, und nicht einmal ein besonders spannendes“ konkludiert er. Die deutsche Übersetzung Das Globus-Spiel erscheint bei Goldmann erst 1978. Auch Das Globus-Spiel bleibt ein Single. Im Quarber Merkur bestreitet Rottensteiner zumindest in den 60er Jahren das Gros der Rezensionen von Dicks Romanen, meist der englischen Ersterscheinungen.
Kürzlich habe ich virtuellen Zugriff auf „Das satirische Fanzine der Gruppe München des SFCD e. V.“, so nennt sich Munich Round Up im Untertitel, in der Nr. 73 vom November 1964 erhalten. Dort lesen wir eine knappe Kritik von Jürgen vom Scheidt:
Einen ausgesprochen guten Griff machte Moewig in seiner Reihe TERRA-Extra mit "GRIFF NACH DER SONNE" (Bd 47), das ist die Übersetzung von SOLAR LOTTERY, von Philip K. Dick.
Dem kann man nur zustimmen. Allerdings handelt es sich bei TERRA-Extra um die brutal in ein 64 Seiten Format gekürzte Fassung des schon 1958 (eben als erster Roman von Dick überhaupt, siehe oben) bei Semrau auf 96 Seiten erschienenen Romans: Also ein guter Griff, aber wirklich keine schöne Ausführung.
Solar Lottery in seinen ersten beiden deutschen Ausgaben als Heftroman
Kürzer und gekürzt: Der Griff nach der Sonne in der stark gekürzten Version in Terra Extra Band 47 (links) von 1964 und weniger gekürzt in der Reihe Abenteuer im Weltenraum Band 7 von 1958
Kritiker Vom Scheidt schreibt bis heute über Science Fiction, kürzlich erst in den Andromeda Nachrichten 286, ist selbst Autor und Herausgeber von Science Fiction und lehrt über kreatives Schreiben. Von 1996 bis 2008 war er begleitender Dozent bei der Celler Schule, einem „Förderseminar für Textschaffende in der Unterhaltungsmusik“.
Miau!
Frohe Ostern!
Die Frage, ob man ein solches Heft in seiner Sammlung braucht oder auch nur will, ob nicht eine digitale Kopie reicht, ist schon häufig in diesem Blog beantwortet: Das liegt beim Sammler. (I want!) Attraktiv sind diese Stücke, weil sie nicht nur (wie man sagt) Geschichte atmen (und das tun sie wirklich), sondern auch weil sie wirklich schwer zu finden sind. Solche Fanzines werden in Deutschland kaum gehandelt, hierzulande ist es schwierig genug, digitale Kopien zu bekommen (die für Recherchen eigentlich ausreichend sind), von Anabis 3 habe ich nicht einmal ein Umschlagbild.
Bei der Beschaffung hilft nur sehr viel Geduld und ein gewisser Fleiss – und man darf keinesfalls zögern, wenn man die Gelegenheit hat (das kann ich aus bitterer Erfahrung berichten). Unbedingt für die Sammlung braucht man die Nr. 90 von Munich Round Up, dort ist die Kurzgeschichte Projekt Wasserspinne veröffentlicht, tatsächlich sogar eine Erstveröffentlichung und einer der weissen Wale dieser Sammlung.
Als Web-Tipp zu den Feiertagen sei ein Blogeintrag zu Munich Round Up im Blog ENPUNKT-Tagebuch genannt, in dem man auch über Anabis nachlesen und überhaupt viel Schönes um Fanzines, die Szene und drumherum: immer einen Besuch wert!

Danksagungen

Für den Scan oben bedanke ich mich bei „einem alten Sammler (72)“, der einen Grossteil seiner beeindruckend grossen Sammlung digitalisiert hat. Getroffen habe ich diesen Sammler beim SF Forum, das schon lange eine Erwähnung verdient hat.
Über den problematisch-traurigen Zustand der Fanzine-Geschichte habe ich hier in diesem Blog schon oft geklagt; eingescannt ist von vielen Enthusiasten und Sammlern sehr viel, verfügbar ist es nicht. In Deutschand liegt das halt am Urheberrecht, die Autoren haben die Rechte an ihren Artikeln und damit wird jede Veröffentlichung praktisch unmöglich. Nun ja. Zum Glück findet sich doch gelegentlich eine helfende Hand.

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