Samstag, 11. Mai 2019

Wild Cards

Wild Cards mit Howard Waldrops Dreissig Minuten über
dem Broadway
, der Untertitel ist Jetboys letztes Abenteuer!
Wirklich ganz am Rande der Sammlung erscheint Wild Cards 1: Vier Asse, herausgegeben von George R. R. Martin vor dem gewaltigen Erfolg seiner als Game of Thrones verfilmten Fantasy-Sage Das Lied von Eis und Feuer.
Wild Cards ist eine shared universe Reihe, auf Deutsch Mosaikromane genannt, an der ausser Martin mehr als vierzig weitere Autoren schreiben. Laut dem Gründungsmythos entstand die Reihe aus einem gemeinsamen Fantasy Rollenspiel. Martin und einige Mitspieler beschlossen die im Spiel erlebten Abenteuer literarisch aufgearbeitet aufzuschreiben und zu veröffentlichen.
Gleich die erste Geschichte erklärt die Entstehung der Superkräfte, die einige Menschen, die sogenannten Asse, fortan haben. In Howard Waldrops Dreissig Minuten über dem Broadway [Thirty Minutes Over Broadway!] tauchen zwei Nebenfiguren mit den Namen Silverberg und A. E. auf und damit wird natürlich auf die bekannten amerikanischen Science Fiction Autoren Robert Silverberg und A. E. van Vogt angespielt, beide übrigens aus dem engeren Bekanntenkreis von Dick – van Vogt war ein explizites Vorbild. Das Verwenden von Namen echter Personen, meist Freunden oder Bekannten, in literarischen Werken – häufiger ist dies in der Science Fiction üblich – nennt sich im Englischen tuckerization. Dieser Tuckerismus gehört im weiteren Sinne zur Meta-SF und recursive Science Fiction. Dick selbst wird in Waldrops Kurzgeschichte – indirekt – auch noch mit einem solchem Tuckerismus geehrt, auf Seite 59 findet sich, als der Protagonist verschiedene Bücher im Schaufenster eines Buchladens sieht:
Eines hieß Der Grashüpfer lastet schwer von jemanden namens Abendsen (Hawthorne Abendsen, offenbar ein Pseudonym).
Natürlich bezieht sich das auf Dicks Roman Das Orakel vom Berge, der Autor eines fiktiven Buches heisst bei Dick Hawthorne Abendsen. Dieses fiktive Buch heisst im englischen Original The Grasshopper Lies Heavy, in der deutschen Erstausgabe von 1973 bei König wurde das von Heinz Nagel mit Schwer liegt die Heuschrecke übersetzt, von Norbert Stöbe dann für Heyne (2000) mit Die Plage der Heuschrecke. Beziehen tut sich die Zeile auf einen Vers der Bibel, so steht es ja auch schon im Roman. Genauer gesagt ist es Ecclesiastes, 12:5 (aus der King James Übersetzung, die Dick mutmasslich verwendet hat):
when [] the almond tree shall flourish, and the grasshopper shall be a burden
Martin Luther nennt das Kapitel Der Prediger Salomon und übersetzt das letzter Hand mit:
Wenn der Mandelbawm blühet / vnd die Hewschrecken beladen wird
Und in der Lutherbibel 2017 heisst es dann:
wenn der Mandelbaum blüht und die Heuschrecke sich belädt
Man sieht aber, dass grasshopper lies heavy kein direktes Zitat aus der Bibel zu sein scheint (es findet sich wohl in keiner englischen Bibelübersetzung so), man kann daher auch nicht den Anspruch auf einen Lutherübersetzung erheben. Christian Jentzsch, der Übersetzer der Vier Asse hat also nichts wirklich falsch gemacht.
Braucht man diese Kurzgeschichte in der Sammlung? Eher nicht, aber Meta-SF bzw. recursive macht mir Spass und bei der Suche nach dieser Textstelle war mir nicht klar, wie klein der Bezug zu Dick in den Dreissig Minuten letztlich war. Das Buch geht also in die Sammlung.
Finden kann man Martins Asse problemlos und kostengünstig, es gibt auch eine neue Ausgabe bei Penhaligon (2016) unter dem Titel Vier Asse. In den USA ist in diesem Jahr Band 27 der Wild Cards erschienen, es gibt also viel zu lesen … und weil Martin nicht selber schreiben muss, gibt es wohl auch regelmässig Neues.
Nicht zum ersten Mal, aber immer wieder richtig, hier ein Verweise auf die New England Science Fiction Association, die sich intensiv mit recursive Science Fiction beschäftigt hat. Und in diesem Blog findet man alles von Heyne hier und alles zu Dick in Meta-SF/recursive hier.

Preise

"Wild Cards 1: Vier Asse", Heyne (1996), ab 1 € zuzüglich Porto.

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