Samstag, 28. November 2020

Sklavenarbeit

Die letzten Monate hat mich der Umzug der Sammlung beschäftigt – eine indirekte Folge der aktuellen Situation (um das elende C-Wort nicht zu verwenden). Die Bücher müssten aus dem Licht, der Platz reichte nicht und da die aktuelle Situation die räumliche Nutzung geändert hat, war eine Verlegung der gesamten Sammlung notwendig geworden. Das sollte eigentlich ein famoser Spass werden, alle Schätze noch einmal anfassen und sehen, damit ein bisschen spielen … aber der Umfang der Sammlung hat den Umzug dann doch mühsam gemacht. 
The Slave Race, Sangrail Press (2020)  jahreszeitlich geschmückt
Und die aktuelle Situation hat mir den einen grossen Bonus nicht beschert: (Zu viel) Zeit oder gar Langeweile. Im Gegenteil, mit noch weniger Zeit wurde die Verlegung mehr und mehr zu einer Belastung … was mir einen schönen Übergang zu einem besonderen und interessanten Objekt gibt.
Die ersten Sätze von Dicks
The Slave Race in der Berkeley
Gazette vom 8. Mai 1944
Das Buch, um das es geht, man würde es wohl ein Büchlein nennen, hat für mich einen problematischen Hintergrund. Es heisst The Slave Race und ist vor kurzem, im Oktober 2020, in einem kleinen englischen Verlag herausgekommen. Es enthält die gleichnamige Kurzgeschichte von Philip K. Dick, die auch aufmerksame Leser und Freund von Dick vermutlich noch nicht gelesen haben: Der Herausgeber nennt sie „Dick's first published SF story“ – und ob das stimmt, hängt davon ab, ob man eine der vorherigen Veröffentlichungen als „SF story“ klassifiziert. In jedem Fall ist sie sehr früh publiziert, am 8. Mai 1944, Dick war erst 15 Jahre alt. Erschienen ist sie in der Tageszeitung, der Berkeley Gazette, in einer Kolumne für den Young Authors' Club. Ich habe vor einiger Zeit darüber schon geschrieben

Rechtesituation

Die Copyright-Problematik ist dort im oben erwähnten Blogeintrag kurz erwähnt, sie sei hier noch einmal ausgebreitet, so wie ich sie verstehe: Das Copyright für die Veröffentlichungen in der Zeitung ist in den USA ausgelaufen, man hätte es wohl verlängern müssen oder auch einen (C)opyright-Vermerk in der Zeitung haben, die Zeitung hat beides nicht getan. In Deutschland gilt der Urheberrechtsschutz bis 70 Jahre nach dem Tod des Autoren, dauert für den Autoren Philip K. Dick also eigentlich noch an. Es gilt aber der Schutzfristenvergleich, der die Schutzfrist für ausländische (nicht-EU) Rechteinhaber auf die im Ursprungsland geltende Dauer verkürzt. In diesem Fall gibt es also wohl keinen Schutz in Deutschland. 
Ob das wirklich so ist, weiss aber vermutlich nur ein teurer Anwalt – und selbst dann müsste vielleicht doch ein Gericht entscheiden: Es gibt wohl Verträge zwischen den USA und dem Deutschen Reich von 1892, die irgendetwas bedeuten könnten.
Die verschiedenen kleinen Herausgeber dieser Kurzgeschichten wollen aber keine Verletzungen des Copyrights riskieren, zumal der Trust, also die aktuellen Inhaber der Rechte an Dicks Werken (soweit eben noch geschützt), als klagewütig bekannt ist (aber auch eigentlich uninteressiert an papiernem).
Das Titelblatt
Man muss sich auch fragen, ob nicht die Situation für alle gemeinfreien Ausgaben von Dick, ähnlich ist … viele davon kann man schon lange problemlos in Deutschland kaufen, die Herausgeber werden offenbar nicht verfolgt. Ich füge hinzu, dass Liebhaberausgaben wie The Slave Race für mich nicht in die Kategorie der hier im Blog beschriebenen gemeinfreien Veröffentlichungen fallen.

The Slave Race und ich

Ich konnte also weder Frank Hollanders Young Authors' Club, The Wartime Adolescent Writings of Philip K. Dick noch The Slave Race von den Herausgebern erwerben, ein Versand nach Deutschland findet nicht statt.
Ein interessierter Freund in England konnte aber ein Exemplar der Slave Race erwerben (Thanks, Mark!) und so habe ich wenigsten irgendwie Zugang bekommen. 
Der Text der kurzen Geschichte findet sich schon im Netz, Google hat die Berkeley Gazette (teilweise) gescannt. Von einer Bewertung des Inhalts sehe ich hier ab, der Wert ist literaturhistorisch. 
Man kann aber über die Ausstattung des Heftes sprechen. Der Herausgeber ist Withnail Books, benannt übrigens nach der britischen Kult-Komödie Withnail & IDas Buch wird hier im Whithnail Blog vorgestellt, dort kann man es auch (noch) kaufen, wenn man nicht in Deutschland lebt (sondern in z. B. dem Vereinigten Königreich, den USA oder Frankreich). Aber auch dann ist der Bezug rationiert. Dieser Kleinstverlag gehört zu einem gleichnamigen Antiquariat und hat schon einige Bücher bzw. Hefte ähnlicher Art – man nennt das wohl special interest – herausgebracht.
Das Büchlein ist, wie für Ausgaben dieser Art üblich, eine limited edition von 250 hand-nummerierten Exemplaren. Man erhält 10 Seiten im Format A5, beginnend mit der Hand-Nummerierung, es folgt ein eingeklebtes Frontispiz in Postkartengrösse von Sharon Newell, die auch den Umschlag gestaltet hat. Nach einem Vorwort vom Herausgeber Adam Newell kommt die kurze Erzählung; sie macht nur drei Seiten aus, eine knappe Zeitungsspalte eben. Aber darum geht es auch nicht … es geht um ein Sammlerstück. Und das haben wir hier definitiv, einem würdigen Mitglied im Kanon, dem, was man in seiner Philip-K.-Dick-Sammlung haben will.
Alles von Dick in der Berkeley Gazette findet sich auf dieser Seite.

Preise

"The Slave Race" kostet beim Verlag 7,99 britische Pfund inklusive Versand, wenn man sie denn kaufen darf

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