Samstag, 1. Mai 2021

Geldanlagen

Teure Stücke
The Complete Short Stories, Folio Society (2021)  was soll man sagen?
Ich musste kurz mit mir ringen, der Preis war hoch, so hoch, Folio hatte nach eigenen Angaben noch 118 der teuren Kisten, aber es war spät in der Nacht, ich habe dann geklickt. Am nächsten Tag war die Ausgabe beim Verlag ausverkauft, 750 Exemplare nach nur vier Tagen. Glück gehabt, irgendwie.
Zerbrechlich und zooabgefertig
Der Preis lässt mir immer noch ein bisschen das Blut in den Adern gefrieren, wenn ich daran denke, aber die Tatsache, dass ich es gerade noch geschafft habe, tröstet – ein wenig. Und auch, dass dafür in der Bucht schon das Doppelte bezahlt wird, hilft. Ein wenig. Weil, verkaufen möchte ich ja gar nicht …
... zuerst die Rechnung, natürlich
Die Folio Society hat auch in diesem Jahr, also im bewährten zwei-Jahres-Rhythmus, wieder etwas von Philip K. Dick herausgebracht. Nach drei Ausgaben mit Romanen sind es jetzt die „vollständigen“ Kurzgeschichten. In einer kleinen Kiste, einem Schuber mit Deckel, kommen die Complete Short Stories von Philip K. Dick in vier bonbonbunten Bänden. Von dieser limited edition gab es bei Folio 750 Exemplare, handnummeriert und auch sonst mit allerlei Adjektive aufgeputzt, die am Schluss „schön“ und „schön teuer“ bedeuten:
Limited to 750 hand-numbered copies
Bindings designed by La Boca and bound in Duchesse cloth screen-printed with fluorescent inks
24 illustrations in total by 24 artists, printed on Arctic Volume Ivory paper
2,560 text pages in total
Set in Mentor with Futura display
Text printed on Abbey Pure FSC certified paper
Title pages and contents printed in two colours
Coloured page edges
Ribbon markers
Four volumes each 9¾" x 6¾"
Presented in a two-part box designed by La Boca
... gut verpackt ...
Was den vier Bänden fehlt, wie bei Folio üblich, ist konsequenterweise die ISBN, denn kaufen kann man die Bücher der Folio Society im Buchhandel nicht, sondern nur beim Herausgeber selbst. Und dort, direkt beim Verlag, kann man sich die Bände auch noch ansehen. Und die Ausgabe ist wirklich so schön, wie man sie dort sieht – dass das dort schöner aussieht, als auf den Bildern hier, liegt eher an den schlechten Bildern auf dieser Seite, die die Bände nicht so schön leuchten lassen, wie der Profi bei Folio das schafft. Dafür gibt es hier das unboxing. Was gibt es ausser der schönen Verpackung, den 24 wunderschönen Illustrationen und der Limitierung, die sich in der Nummerierung (nur des ersten Bandes) per Hand ausdrückt?
... noch mehr Verpackung ...
Bei Inhalt handelt sich genau um die 118 Kurzgeschichten mit einigen zugehörigen Notizen des Autoren, die in der ursprünglichen Underwood-Miller Ausgabe von 1987 gesammelt sind. Die Orthographie wurde dabei dem britischen Englisch angepasst. Im Vergleich zur Erstausgabe fehlen die Einführungen von Dicks Bibliographen Steven Owen Godersky und den Autoren Norman Spinrad, John Brunner, James Tiptree jr. und Thomas Disch, die schon bei folgenden Ausgaben regelmässig nicht mehr dabei waren. Dafür gibt es eine ältere Einführung von Jonathan Lethem sowie eine „Einführung“ von Dick selbst, die aus einem Brief und seinem Vorwort zu The Preserving Machine zusammengesetzt ist. Ein sehr kurzes Nachwort von Dick folgt, ursprünglich in The Best of Philip K. Dick bei Del Rey erschienen. Folio gibt das Erscheinungsdatum mit 1976 an, andernorts findet man 1977; vermutlich stimmt letzteres.
... weiter zum Kern ...
Die Erstausgabe der Collected Stories war 1987 sicher eine Mammutaufgabe, die Geschichten mussten buchstäblich gesammelt werden und wurden wenigstens teilweise um Notizen des Autors ergänzt. Über die administrativen Probleme mit Veröffentlichungsrechten mag man nachdenken. Paul Williams und andere haben daran mitgewirkt und man darf diese Arbeit nicht für selbstverständlich halten – eine (fast) vollständige Sammlung von (so vielen) Kurzgeschichten eines Autoren ist absolut nicht selbstverständlich (so hat J. D. Salinger eine solche Ausgabe für seine Werke immer verhindert). Dabei ist ein entsprechendes Werk ein wichtiges Hilfsmittel, um sich etwas ernsthafter mit dem Werk eines Autoren auseinandersetzen zu können. Für Theodore Sturgeon, dessen Kurzgeschichten den Hauptteil seines Gesamtwerks ausmachen, hat Paul Williams das anschliessen auch gemacht, dort in 13 Bänden, die in über 15 Jahre erschienen sind.
Mit Blick auf die Erstausgabe ist zu erwähnen, dass diese damals in diversen Ausführungen, u. a. im Sammelschuber und „signiert“ (mit Scheck) für einen ähnlich hohen Preis erschienen ist. Teure Sammlerausgaben sind also nichts Neues und gerade in letzter Zeit tut sich da wieder einiges.
Und auch die letzte Gesamtausgabe der Kurzgeschichten von  Subterranean war in ihrer limited edition ein Sammlerstück – allerdings ist die über fünf Jahre erschienen, ab 2010 gab es jedes Jahr einen weiteren Band. Das hat zwar die Portokosten erhöht, aber den Preisschock abgemildert; mehr findet man hier im Blog.
Ich persönlich hätte statt einer Luxusausgabe lieber ein Buch gesehen, das auch inhaltlich einen Beitrag leistet. Vielleicht eine kommentierte Ausgabe „aller Schriften“ mit all den Essays, die überall so herumflattern und die der Interessierte sich recht mühsam zusammensammeln muss (und die man hier unter Essays finden kann)?  Aber offenbar hat ja der Trust diese Ausgabe angeregt … und das dort das Interesse an spektakulären Luxusausgaben grösser ist als an literaturwissenschaftlicher Arbeit, darf man schon länger vermuten. 
Aber auch Folio ist mehr der Schönheit als der Wissenschaft zugetan und das ist ja auch gut so, suum cuique nannten unsere römischen Kulturexporteure das.
Die erste Ausgabe von Dick bei Folio war The Man in the High Castle (2015) für damals 30 Pfund, auch sehr schön und auch hier im Blog, diese Ausgabe ist wirklich teuer geworden. Die folgenden Do Androids Dream of Electric Sheep/A Scanner Darkly (2017), hier im Blog und Ubik (2019), hier, haben sind preislich wenig bewegt. Als Spekulationsobjekte eigenen sich solche Bücher wenig.
658
Nummeriert: 658
Der Kauf auf der Webseite von Folio war, wie üblich, problemlos. Die Lieferzeit – dank DHL – nur fünf Tage, hier gab es keine Brexit-Probleme, aber der Zoll hatte meine Sendung entdeckt und nach dem Zolltarif abgerechnet. Folio hatte sie richtig deklariert, daher musste ich nicht zum Zoll, sondern DHL konnte an der Tür (ab)kassieren – recht ordentlich. Nun ja, Sammeln sollte nicht zu einfach sein.
Derzeit gibt es zahllose Angebote, „originalverpackt“, auf den üblichen Plattformen, allerdings zahlt man dort das Doppelte vom Originalpreis. Und vermutlich wird man auch noch sehr lange entsprechende Angebote finden, es gibt jetzt keine Eile mehr … der Preis wird auch erst mal nicht mehr steigen, denke ich. 
Vollständige bibliographischen Informationen zu Philip K. Dick bei der Folio Society gibt es hier im Blog.
Erwähnt sei, dass die deutsche Ausgabe als Sämtliche 118 SF-Geschichten auf Deutsch verlagsneu bei Zweitausendeins erhältlich sind, für einen deutlich niedrigeren Preis.
Der Web-Tipp ist eine alte Kritik an der deutschen Ausgabe der Stories; ich bin mit vielem, was dort steht nicht einverstanden (Science Fiction vs. Fantasy – ernsthaft?), man sollte den Artikel aber als hochaktuelle Frage gelten lassen, wie sehr man Literatur aus den z. B. den 50er Jahren noch lesen kann: Ist es wirklich ein Mangel, dass das Frauenbild in den Kurzgeschichten aus den 50er Jahren das Frauenbild der 50er Jahre ist? Oder kann man auch Science Fiction aus der Zeit heraus lesen? Muss man überhaupt etwas aus der Zeit heraus lesen? Und gerade Dick war, zumindest sah er sich so gelegentlich und konnte auch andere davon überzeugen, ein Mainstream Autor gefangen im Geschäftsmodell eines science fiction writers.

Preise

"The Complete Short Stories", Folio Society (2021), vier Bände im Schuber, Originalpreis 495 Britische Pfund, beim Verlag ausverkauft, antiquarisch derzeit für den doppelten Preis :-(
"The Man in the High Castle", Folio Society (2015), antiquarisch bei 200 bis 300 Euro
"Sämtliche 118 SF-Geschichten", verlagsneu bei Zweitausendeins für 50 Euro

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