The Complete Short Stories, Folio Society (2021) – was soll man sagen?
Ich musste kurz mit mir ringen, der
Preis war hoch, so hoch, Folio hatte nach eigenen Angaben noch 118 der
teuren Kisten, aber es war spät in der Nacht, ich habe dann geklickt.
Am nächsten Tag war die Ausgabe beim Verlag ausverkauft, 750 Exemplare nach
nur vier Tagen. Glück gehabt, irgendwie.
Der Preis lässt mir immer noch ein bisschen das Blut in den Adern gefrieren,
wenn ich daran denke, aber die Tatsache, dass ich es gerade noch geschafft
habe, tröstet – ein wenig. Und auch, dass dafür in der Bucht schon das
Doppelte bezahlt wird, hilft. Ein wenig. Weil, verkaufen möchte ich ja gar
nicht …
Die Folio Society hat auch in diesem Jahr, also im bewährten
zwei-Jahres-Rhythmus, wieder etwas von Philip K. Dick herausgebracht. Nach
drei Ausgaben mit Romanen sind es jetzt die „vollständigen“ Kurzgeschichten.
In einer kleinen Kiste, einem Schuber mit Deckel, kommen die Complete Short Stories
von Philip K. Dick in vier bonbonbunten Bänden. Von dieser
limited edition gab es bei Folio 750 Exemplare, handnummeriert und auch sonst mit
allerlei Adjektive aufgeputzt, die am Schluss „schön“ und „schön teuer“
bedeuten:
Limited to 750 hand-numbered copies
Bindings designed by La Boca and bound in Duchesse cloth screen-printed with fluorescent inks
24 illustrations in total by 24 artists, printed on Arctic Volume Ivory paper
2,560 text pages in total
Set in Mentor with Futura display
Text printed on Abbey Pure FSC certified paper
Title pages and contents printed in two colours
Coloured page edges
Ribbon markers
Four volumes each 9¾" x 6¾"
Presented in a two-part box designed by La Boca
Bei Inhalt handelt sich genau um die 118 Kurzgeschichten mit einigen
zugehörigen Notizen des Autoren, die in der ursprünglichen Underwood-Miller
Ausgabe von 1987 gesammelt sind. Die Orthographie wurde dabei dem britischen
Englisch angepasst. Im Vergleich zur Erstausgabe fehlen die Einführungen von
Dicks Bibliographen Steven Owen Godersky und den Autoren Norman Spinrad,
John Brunner, James Tiptree jr. und Thomas Disch, die schon bei folgenden
Ausgaben regelmässig nicht mehr dabei waren. Dafür gibt es eine ältere
Einführung von Jonathan Lethem sowie eine „Einführung“ von Dick selbst,
die aus einem Brief und seinem Vorwort zu
The Preserving Machine
zusammengesetzt ist. Ein sehr kurzes Nachwort von Dick folgt, ursprünglich in
The Best of Philip K. Dick
bei Del Rey erschienen. Folio gibt das Erscheinungsdatum mit 1976 an,
andernorts findet man 1977; vermutlich stimmt letzteres.
Die Erstausgabe der Collected Stories war 1987 sicher eine Mammutaufgabe, die
Geschichten mussten buchstäblich gesammelt werden und wurden wenigstens
teilweise um Notizen des Autors ergänzt. Über die administrativen Probleme mit
Veröffentlichungsrechten mag man nachdenken. Paul Williams und andere haben
daran mitgewirkt und man darf diese Arbeit nicht für selbstverständlich halten
– eine (fast) vollständige Sammlung von (so vielen) Kurzgeschichten eines
Autoren ist absolut nicht selbstverständlich (so hat J. D. Salinger eine
solche Ausgabe für seine Werke immer verhindert). Dabei ist ein entsprechendes
Werk ein wichtiges Hilfsmittel, um sich etwas ernsthafter mit dem Werk eines
Autoren auseinandersetzen zu können. Für Theodore Sturgeon, dessen
Kurzgeschichten den Hauptteil seines Gesamtwerks ausmachen, hat Paul Williams
das anschliessen auch gemacht, dort in 13 Bänden, die in über 15 Jahre
erschienen sind.
Mit Blick auf die Erstausgabe ist zu erwähnen, dass diese damals in diversen
Ausführungen, u. a. im Sammelschuber und „signiert“ (mit Scheck) für einen
ähnlich hohen Preis erschienen ist. Teure Sammlerausgaben sind also nichts
Neues und gerade in letzter Zeit tut sich da wieder einiges.
Und auch die letzte Gesamtausgabe der Kurzgeschichten von Subterranean
war in ihrer limited edition ein Sammlerstück – allerdings ist die über fünf Jahre erschienen, ab
2010 gab es jedes Jahr einen weiteren Band. Das hat zwar die Portokosten erhöht,
aber den Preisschock abgemildert; mehr findet man hier im Blog.
Ich persönlich hätte statt einer Luxusausgabe lieber ein Buch gesehen, das
auch inhaltlich einen Beitrag leistet. Vielleicht eine kommentierte Ausgabe
„aller Schriften“ mit all den Essays, die überall so herumflattern und
die der Interessierte sich recht mühsam zusammensammeln muss (und die
man hier unter Essays finden kann)? Aber offenbar hat ja der Trust diese
Ausgabe angeregt … und das dort das Interesse an spektakulären Luxusausgaben
grösser ist als an literaturwissenschaftlicher Arbeit, darf man schon länger
vermuten.
Aber auch Folio ist mehr der Schönheit als der Wissenschaft zugetan und das
ist ja auch gut so, suum cuique nannten unsere römischen
Kulturexporteure das.
Die erste Ausgabe von Dick bei Folio war
The Man in the High Castle
(2015) für damals 30 Pfund, auch sehr schön und
auch hier im Blog, diese Ausgabe ist wirklich teuer geworden. Die folgenden
Do Androids Dream of Electric Sheep/A Scanner Darkly
(2017),
hier im Blog
und Ubik (2019),
hier, haben sind preislich wenig bewegt. Als Spekulationsobjekte eigenen sich
solche Bücher wenig.
Nummeriert: 658 |
Derzeit gibt es zahllose Angebote, „originalverpackt“, auf den üblichen
Plattformen, allerdings zahlt man dort das Doppelte vom Originalpreis. Und
vermutlich wird man auch noch sehr lange entsprechende Angebote finden, es
gibt jetzt keine Eile mehr … der Preis wird auch erst mal nicht mehr
steigen, denke ich.
Vollständige bibliographischen Informationen zu Philip K. Dick bei der Folio
Society gibt es hier im Blog.
Erwähnt sei, dass die deutsche Ausgabe als Sämtliche 118 SF-Geschichten auf Deutsch verlagsneu bei Zweitausendeins erhältlich sind, für einen deutlich niedrigeren Preis.
Der Web-Tipp ist
eine alte Kritik an der deutschen Ausgabe der
Stories; ich bin mit vielem, was dort steht nicht einverstanden (Science Fiction
vs. Fantasy – ernsthaft?), man sollte den Artikel aber als hochaktuelle
Frage gelten lassen, wie sehr man Literatur aus den z. B. den 50er Jahren
noch lesen kann: Ist es wirklich ein Mangel, dass das Frauenbild in den
Kurzgeschichten aus den 50er Jahren das Frauenbild der 50er Jahre ist? Oder
kann man auch Science Fiction aus der Zeit heraus lesen? Muss man überhaupt
etwas aus der Zeit heraus lesen? Und gerade Dick war, zumindest sah er sich
so gelegentlich und konnte auch andere davon überzeugen, ein Mainstream
Autor gefangen im Geschäftsmodell eines
science fiction writers.
Preise
"The Complete Short Stories", Folio Society (2021), vier Bände im Schuber, Originalpreis 495 Britische Pfund, beim Verlag ausverkauft, antiquarisch derzeit für den doppelten Preis :-(
"The Man in the High Castle", Folio Society (2015), antiquarisch bei 200
bis 300 Euro
"Sämtliche 118 SF-Geschichten", verlagsneu bei Zweitausendeins für 50 Euro
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