Samstag, 26. März 2022

Tausendmal gesehen …

🎶 Ich wollte mir bloss den Abend vertreiben … und fischte an den üblichen Orten. Ich dacht' nicht im Traum, dass ich eine deutsche Variante entdecke … erst recht nicht bei Heyne!
Natürlich hatte ich Heynes Jubiläumsedition von Das Orakel vom Berge von Philip K. Dick schon tausendmal gesehen, tausendmal ist nix aufgefallen, tausend und eine Suche und es „Zoom“ gemacht: Es gibt tatsächlich ein signifikant abweichendes Umschlagbild der vierten Auflage. Vielleicht keine ganz grosse Sache, aber definitiv relevant für die Sammlung und daher absolut erwähnenswert.
Die 1. und 4. Auflage von Das Orakel vom Berge – so nebeneinander sieht man den Unterschied sofort, sonst fällt der abweichende Hintergrund nicht so schnell auf, der modifizierte Kopf der Freiheitsstatue fängt den Blick
Das Orakel vom Berge ist 1973 erstmal beim König Verlag erschienen, dann in vier Ausgaben mit jeweils neuen Umschlagbildern bei Bastei Lübbe und schliesslich bei Heyne gelandet. Dort ist es gleich in einer neuen „ungekürzten“ Übersetzung von Norbert Stöbe in der Jubiläumsedition 40 Jahre Heyne Science Fiction erschienen.
Diese Ausgabe ist dann in drei weiteren Auflagen erschienen. Die zweite Auflage von 2001 ist wenig verändert: Der Preis ändert sich mit Einführung des Euro von „18,00 DM“ auf „9, 00 Euro / 17,60 DM“ (manches ist mit dem Euro auch billiger geworden!) und der sonst übliche Vermerk des Preises auf dem Rücken („1800“) ist entfernt. Ausserdem entfällt der Hinweis auf 40 Jahre Heyne Science Fiction und stattdessen wird der Band auf Vorblatt und Titel der Reihe Meisterwerke der Science Fiction zugeschlagen.
Bei der dritten Auflage ist das alte Logo, der HeyneWimpel, gegen das neue Logo, dem Schriftzug HEYNE, gefolgt von einem <“, dem stilisierten und gedrehten Wimpel, ausgetauscht. Das war auch bei anderen Neuauflagen der Fall. Der Wimpel wird auch vom Vorblatt entfernt, wo er vorher Teil des Logos Meisterwerke der Science Fiction war.
Erst mit der vierten Auflage erfolgte eine komplette Überarbeitung des Umschlagbildes: Der Hintergrund änderte sich komplett, jetzt „passend“ in braun statt lila und mit neuer Schriftart und verändertem Layout von Autor, Titel und weiterem Text. Der markante Kopf der Freiheitsstatue mit dem Gesicht von Adolf Hitler blieb unverändert. Ausserdem ist diese vierte Ausgabe nicht mehr in der Reihe Science Fiction unter der Verlagsnummer 06/8203, sondern in der Allgemeinen Reihe unter der Nummer 16411 geführt, diese Nummer findet sich auch auf dem ebenfalls angepassten Rücken.
Es hat eine Weile gedauert, bis ich eine erste Auflage zu einem (scheinbar) vernünftigen Preis finden konnte, dann leider in schlechter Qualität – die Ecken des Umschlags wurde mit Tesa verstärkt (man fragt sich warum) und das Exemplar daher im Katalog gleich mit einem Vermerk zur Neubeschaffung versehen. Die Netze werden also weiter ausgeworfen. Das Problem bei der Suche ist, wie üblich, das die meisten Anbieter kein Originalbild anbieten, nur ein „Standardbild“ und meist keine (verlässliche) Information zur Auflage. So kann man nicht wissen, welche Auflage man eigentlich kauft.
Die deutsche Erstausgabe
von Das Orakel vom Berge
vom König Verlag (1973)
Ganz unabhängig von den abweichenden Auflagen ist diese Jubiläumsedition die absolut beste deutsche Ausgabe des Romans. Enthalten ist nicht nur der ungekürzte, neu übersetzte Romantext, sondern auch weitere, sonst nur teilweise auf deutsch zu findende Texte. 
Das Buch beginnt mit einem einführenden Vorwort vom Dick-Experten Kim Stanley Robinson, das offenbar dem 4. Kapitel seiner überarbeiteten Dissertation The Novels of Philip K. Dick von 1984 entnommen ist. Auf Englisch ist dieses Buch nicht wieder erschienen und sehr gesucht (und daher selten und teuer). Robinson wollte keine Neuerscheinung. Auf Deutsch ist es aber 2005 bei Shayol als Die Romane des Philip K. Dick erschienen (und mittlerweile auch sehr selten geworden) – ein essentielles Werk für dieses Feld. Das Vorwort von Robinson befindet sich nur noch in der roten Ausgabe der (unvollständigen) Werkedition von 2008.
Im Anhang des Buches finden sich drei gänzlich exklusive Texte. Eine Vorbemerkung von Wolfgang Jeschke, dessen Redaktion wir die zusätzlichen Texte wohl verdanken (ausnahmsweise einmal nicht Uwe Anton!). Der Vorbemerkungen folgt auf zwei Seiten (natürlich fiktives) Biographisches Material zu Hawthorne Abendsen von Philip K. Dick und schliesslich Die beiden vollständigen Kapitel einer geplanten Fortsetzung zu „Das Orakel vom Berge“. Diese beiden Texte sind im Original nur in The Shifting Realities of Philip K. Dick: Selected Literary and Philosophical Writings erschienen und ergänzen den Haupttext perfekt. Die aktuelle Ausgabe des Orakels vom Berge enthält nur den Romantext, alle „Zugaben“ sind entfallen. Es lohnt sich also nach eine antiquarische Ausgabe zu fischen, die Auflage ist dabei auch egal.

Widmung(en)

Bei der Recherche hat mir, wie so oft, auch ISFDB geholfen. Bei einer der deutschen Ausgaben steht dort die (inkorrekte) Bemerkung
There's a seemingly erroneous dedication to Dick's wife Tessa and his son Christopher, which seems to have been introduced from a different novel: Dick didn't know Tessa in 1962, when the original novel was first published.
In der Tat war der Roman im Original ursprünglich seiner damaligen (dritten) Frau Anne gewidmet, die die Widmung aber nicht mochte – und so hat Dick selbst sie 1973 geändert. Die Widmung an Anne ist in keiner deutschen Ausgabe erschienen, statt dessen die an Ernst Jünger für seinen Roman Auf den Marmorklippen“, mehr dazu hier im Blog. Glücklich war Anne mit der Änderung der Widmung aber auch nicht, wie man hier nachlesen kann. Die britischen Ausgaben haben noch bis vor kurzen, bis Folio (2015), die Widmung an Anne verwendet, erst die letzten Ausgaben bei Gollancz (2017, 2019) sind Tessa gewidmet.

Preise

Philip K. Dick: "Das Orakel vom Berge", Heyne (2000), diverse Auflagen ab 7,00 Euro
Kim Stanley Robinson: "The Novels of Philip K. Dick", diverse Ausgaben ab 300 bis 500 Euro, wenn erhältlich

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