Noch im vorigen Jahr hat sich
eine klaffende Lücke in der Sammlung geschlossen: Die
gebundene Ausgabe von Uwe Antons
Entropie und Hoffnung
ist tatsächlich aufgetaucht und konnte eingefangen werden. Grossartig! Zumal
der Fang durchaus nicht einfach war, der Preis nicht phantastisch … und ich
alle Hoffnung eigentlich schon lange aufgegeben hatte, obwohl ich
neulich ein Exemplar wenigstens besuchen durfte.
Die Gelegenheit
Auf dem grossen Kleinanzeigenportal, das noch den Namen der Bucht trägt,
kann man hin- und wieder einen passablen Fund machen, darum lohnt es sich
für den Sammler dort regelmässig zu suchen. Und so fand sich im vergangene
Spätherbst ein Konvolut von rund 60 Bänden Dick, eine (zwangsläufig)
zusammengestückelte (fast) Gesamtausgabe.
Begleitet von einigen mehr oder weniger aussagekräftigen Bildern zeigte sich
dort, ganz am Rand, auch die scheueste deutsche Ausgabe aller Bücher von und
über Dick: Entropie und Hoffnung, der Rücken in blau mit dem
Schriftzug Philip K. Dick in silber und das Verlagslogo, ganz
offensichtlich in der (oder einer?) gebundenen Version. Der Preis:
VB für das ganze Konvolut, zumindest vorzugsweise.
Dieser Sammler hat schon sehr gute Erfahrungen mit Konvolutkäufen gemacht.
Und dieses Konvolut enthielt zusätzlich einige Werke der Edition Phantasia –
sowohl Das Mädchen als auch Auf der Suche nach VALIS, die
sonst wohl seltensten deutschen Bücher von Dick. Das würde auch andere
Interessenten bewegen, selbst solche, die an Sekundärliteratur nicht
interessiert wären. Mit Konkurrenz wäre also zu rechnen.
Das Angebot
Was tun? Eine schnelle Kalkulation, ein klares Angebot (mit der Option auch
nur Entropie und Hoffnung zu nehmen). Das Angebot wurde zur Kenntnis
genommen, es gäbe noch andere Nachfragen (und es waren viele andere
Konvolute angeboten), es wurde um Geduld gebeten. Die Nachfrage nach
angemessener Frist wurde nett, aber unverbindlich beantwortet, ich habe aber
die Möglichkeit einer Abholung ins Spiel gebracht: Niemand mag einen
Umzugskarton voller Bücher verschicken, das sollte die Erfolgschancen
erhöhen – und bringt natürlich auch die Möglichkeit einer vorhergehenden
Inspektion. Nach einigen weiteren Tagen dann der Zuschlag; etwas höher als
das initiale Angebot: ein sehr guter Preis für die Bücher insgesamt, aber
ein viel zu hoher für nur das eine, wirklich gesuchte Buch und
ohne eine Refinanzierung durch den Weiterverkauf einiger teurer Exemplare
nicht mit dem Budget vereinbar.
Die Reise
Die Fahrt in die grosse Stadt, kurzfristig organisiert, an einem sonnigen
Herbsttag, eine gute Stunde. Die Wohnung, soweit erkennbar, voller Bücher.
Ein paar Menschen, Freunde wohl, die sich freuen, dass die Bücher beim
Abholer wohl in guten Händen sind, weil er sich auskennt. Ein paar Worte zum
früheren Besitzer, ein Buchfreund, auch beruflich. Der Sammler freut sich,
weil die Bücher so aussehen, wie erhofft. Schnell alles in eine Kiste …
vielleicht wäre mehr Zeit zum Reden gewesen.
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Entropie und Hoffnung angekommen in der Sammlung, umringt
von einigen alten Freunden, links die Paperbackausgabe
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Zu Hause
Der Fang ist an Land gezogen. Ein langes Durchatmen. Dann die Inspektion:
Entropie und Hoffnung, der Hauptdarsteller dieses Dramas, in sehr
gutem Zustand. Darin zwei Zeitungsartikel zu Dick, aus der F.A.Z. von 2008
und 2010, das Datum sorgfältig notiert.
Und dann ist da das Das Mädchen mit den dunklen Haaren
und Auf der Suche nach VALIS, gelesen, aber gut und besser, ohne
die es diesen Kauf wohl nicht gegeben hätte. Sonst: die Kurzgeschichten von
Haffmans, wie neu, und das übliche: Goldmann, Moewig, Bastei Lübbe, aber
fast kein Heyne, es sind überwiegend frühe Ausgaben, einiges in sehr gutem
Zustand, einiges offensichtlich gebrauchte Exemplare, Remittenden,
Leseexemplare mit Eintragungen, Ex Libris und Stempeln. Für die Sammlung
sind Eintragungen und Stempel nicht gut, interessant sind sie aber doch:
Eines der Exemplare kommt aus der privaten Bücherei der Bücherfreunde
Fernmeldeamt 1 Frankfurt Main. Im Netz findet sich ein Exemplar aus
gleicher Quelle, sonst sind die Bücherfreunde vergessen ... oder zumindest
nicht im Internet angekommen.
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Gestempelt Bücherfreunde Fernmeldeamt 1 Frankfurt Main
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Und eine weitere Eintragung macht neugierig: In vielen der Taschenbücher ist
ein Datum eingetragen, „4.12.63“ steht da beispielsweise in Moewigs
Warte auf das letzte Jahr. Die deutsche Ausgabe ist von 1981, die
englische Erstausgabe von Doubleday 1966 herausgebracht. Ein Blick in
die
Encyclopedia Dickiana bestätigt die Vermutung: Es handelt sich um genau das Datum, an dem
das Buch beim Agenten eingegangen ist, das Datum, das man als Datum der
Fertigstellung betrachten kann und das teilweise erheblich vom Datum der
Erstveröffentlichung abweicht. Für das Verständnis von Dicks Werk – oder
überhaupt eines Autoren – ist dieses Datum also sehr relevant. Diese kleine
Eintragung verstärkt also den Eindruck eines tieferen Interesses am Werk.
Und das ist mein Eindruck vom Vorbesitzer: Ein Interessierter, der
vielleicht ein Fan war, aber kein ausgesprochener Sammler – jedes Buch war
da, um gelesen zu sein, es gibt einige Leseexemplare, sauber, jedes Buch in
nur einer Ausgabe. (Und auch dieser Sammler hält es mit den Strugatzkis,
Vonnegut oder Bukowski so.)
Tatsächlich fehlen zwei oder drei Romane, bei den seltenen Edition Phantasia
Ausgaben wundert das wenig (
Nick wäre schön gewesen), aber warum fehlt
ausgerechnet:
Blade Runner. Das Buch mit den meisten Ausgaben, den
höchsten Auflagen (behaupte ich hier mal) – und einer der besten Romane von
Dick – ist nicht dabei. Das ist kein Verlust für das Konvolut, die Sammlung
ist da gut ausgestattet und nur die frühen Ausgaben sind
werthaltig.
War der
Blade Runner dem Vorbesitzer zu kommerziell, hat er ihn
absichtlich ausgeschlossen? Nein, jemand, der sich offensichtlich so mit Dicks
Werk auseinandergesetzt hat, würde diesen Fehler nicht machen. Vermutlich ist
der Roman der Kollektion irgendwann einmal verloren gegangen, womöglich im
Rahmen der Auflösung …
Blade Runner ist sicher das (dem nicht-Fan)
ansprechendste Buch und mag im Vorbeigehen einen neuen Leser gefunden haben:
Gut so!
Das Nachspiel
Entropie und Hoffnung wurde sofort der Sammlung zugeführt,
natürlich. Alle anderen Exemplare wurden mit dem Bestand verglichen.
Einige wenige schafften es vom Ersatzspieler in die Stammelf und
ersetzen schlechtere Exemplare, die es in der Sammlung noch gibt. Das
ist auch
vorher schon geschehen und findet kein Ende, weil nur die wenigsten Exemplare wirklich
perfekt sind. Alle anderen boten die Möglichkeit Abweichungen zu
prüfen – manchmal lässt sich eine neue Auflage entdecken oder sogar
eine kleinere Variation, wie
hier für Eine andere Welt.
Das Konvolut war sicher nicht zu teuer, aber es war
teuer – und es war zu teuer, wenn man nur eines des
Bücher wirklich braucht. Schon beim Angebot war die Hoffnung,
eine gewisse Gegenfinanzierung über die Dubletten zu erreichen.
VALIS fand dann auch innerhalb einer Woche ein neues
Für-Immer-Zuhause, manchmal funktioniert das mit Suchanzeigen, auch wenn
es (wie hier) einige Jahre dauern kann – offenbar ein hingebungsvoller
Sammler.
Alles weitere wird seine Zeit brauchen, wie beim Sammeln ist auch beim
Abgeben von Raritäten – oder zumindest hinlänglich wertigen Exemplaren –
Geduld gefragt. Und die Standardausgaben sind kaum interessant, werden
aber auch ihre Verwendung finden: als Leseexemplare oder als Geschenke
für Interessierte (der eine oder andere Bekannte konnte zur Lektüre von
Dick schon überzeugt werden).
Epilog
So soll Sammeln sein (: Ein bisschen Jagd, ein bisschen Abenteuer, aber
auch ein bisschen soziale Interaktion – mehr als nur ein Warenkorb im
Netz. Und natürlich am Wichtigsten: Ein grossartiger Fang!
In der Sammlung gibt es noch genug Lücken für weitere Sammelabenteuer
dieser Art, sehen wir, was die Zukunft bringt.
Das Weitere
Zu Entropie und Hoffnung
Die gebundene Ausgabe ist offenbar als Bibliotheksausgabe gedacht und so
hat es
ein Exemplar bis in die Bibliothek der Stanford Universität
geschafft. Vom Besuch bei der Ausgabe in der lokale
Universitätsbibliothek
wurde in diesem Blog schon berichtet.
Uwe Anton:
Philip K. Dick: Entropie und Hoffnung – Texte und Materialien zur
phantastischen Literatur, Verlag Thomas Tilsner (1993). ISBN 3-910079-08-3. Originalpreis:
DEM 78,00.
Inhalt: |
Seite |
6 |
Zum Geleit |
9 |
Philip K. Dick – Umriss eines Lebens |
17 |
Das frühe Kurzgeschichtenwerk |
41 |
Die erste Schaffensphase |
61 |
Die Mainstream-Romane |
81 |
Das späte Kurzgeschichtenwerk (ab 1963) |
91 |
Das Artikelwerk |
99 |
Die zweite Schaffensphase |
161 |
Die dritte Schaffensphase |
191 |
Posthum erschienene Bücher |
205 |
Bibliographie |
255 |
Danksagung |
Man beachte die umfangreiche Bibliographie!
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