Samstag, 22. Februar 2025

Blade Runner in Wien

Das Schubert Theater
Zu berichten ist hier im Blog von einer weiteren Dick-Reise, dieses Mal nach Wien. Gestolpert, zufällig, bin ich erst kürzlich über eine Aufführung des Schubert Theaters mit dem Titel Blade Runner – Das Märchen Mensch. Dieses Stück wurde dort schon 2022 erstmalig aufgeführt und in dieser Saison jedoch in einigen Aufführungen wieder aufgenommen – diese Chance wollte ich mir nicht entgehen lassen: also auf nach Wien! (Dieser Blog hat ja auch schon die Replikantenoper in Bremen und Die Zeit aus den Fugen in Hannover besucht!)Oder lieber doch nicht? Es geht „nur“ um Blade Runner, „inspiriert von der Verfilmung“ und das Schubert Theater ist ein – Puppentheater! Und dieser Blog ist ein Dick-Blog und kein Blade-Runner-Blog (und die Schnittmenge von Philip K. Dick und Blade Runner ist doch begrenzt). Ein zweiter Blick zeigt aber: auch vom Roman sei das Stück inspiriert, das Theater ist recht renommiert, die Puppen (keine Marionetten!) spielen mit Mensch und es ist Erwachsenen-Puppentheater, kein Zweifel, das alles ist für Kinder wenig geeignet … und besondere Neugier erweckt dieser Absatz des „Klappentexts“:
Jane wird überraschend von Phil Deckard aufgesucht, einem Agenten der Androiden-Fabrik Tyrell Corporation. Doch er sucht nicht nur Janes‘ Hilfe für seinen kaputten, elektronischen Hund. Er hat den Auftrag, die neueste Generation der Androiden zu prüfen. Dies gelingt nur mit komplexen Tests wie der Voigt-Kampff-Apparatur, einer Mischung aus Turing-Test, psychologischer Befragung und Mikroreaktionszeitmessung.
Es braucht nicht viel Kenntnis, eine Figur Phil zu nennen, aber die weibliche Figur Jane zu nennen deutet stark darauf hin, dass der Autor sich zumindest etwas mehr mit der Person Philip K. Dick beschäftigt hat. Jane ist (natürlich) die in der Krippe verstorbene Zwillingsschwester von Phil mit der er sich sein Leben lang beschäftigt hat und deren Echo man in seinem Werk finden kann.
Prunksaal der Nationalbibliothek
Aber schliesslich: Philip K. Dick im Theater, auf Deutsch – wie auch immer: Da kann, darf man (bzw. dieser Blog) nicht auslassen, das ist zu dokumentieren. Also wirklich: Auf nach Wien!
Und es hilft, dass Wien immer eine Reise wert ist, auch im Februar. Gemischtes Wetter, Hofburg, Kapuzinergruft, St. Stephan, Zentralfriedhof, echtes Wiener Schnitzel. Und natürlich der Prunksaal der Nationalbibliothek! 200.000 Bände, als Kaiser sammelt man halt auf einem anderen Niveau (und vermutlich steuerlich absetzbar). Zu kaufen fand sich (fast) nichts in Wien (ein
Blade Runner u.a.
Blade Runner Origins
Comic, wider besseren Wissens), zur Villa Fantastica hat es nicht gereicht. 
Am letzten Abend dann der Höhepunkt: Frühe Ankunft am Schubert Theater, die Karten waren reserviert, aber noch nicht bezahlt – klappt natürlich trotzdem. Ein hoher Flur, überall hängen Puppen, ausdrucksvoll (und weniger geeignet für Kinder), stimmungsvoll. Dank der frühen Ankunft kann man sich in die Bar-Ecke setzen und beobachtet, dass die Karten nachgefragt sind, es ist ausverkauft, die Warteliste so lang, dass Spontanentschlossene keinen Eintritt mehr finden. Das Publikum wirkt mehr wie ein kulturinteressiertes Stammpublikum als Blade Runner Fans.
Einlass. Das Stück: Vor den Motiven von Blade Runner. Jane Sebastian, die genetische Designerin trifft auf den Blade Runner Phil Deckard und dessen kranken Hund Buster (dessen Name sich natürlich auf die Figur des Herrn Freundlich/Friendly bezieht, den es im Film nicht gibt). Die Puppen, Buster und der Kopf, haben einen relevanten, aber kleineren Anteil, es geht um Jane und Phil und ihr Zusammenstossen: Wer ist und was will der andere?
Erwartungsvolle Stimmung vor dem Beginn
Wir bewegen uns bei der Handlung in einem ähnlicher Rahmen wie die Replikantenoper: Ein Rückblick aus der Zukunft auf den ausgestorbenen Menschen, daher im Titel: hier „Ein Märchen“ dort „The End“.
Soffi Povo und Angelo Konzett
Ein Highlight, ein großes Erlebnis war das Gespräch, dass ich mit Simon Meusburger führen konnte: das Haus ist klein, man trifft den Intendanten zufällig auf dem Hof, mit seinem großartigen Hauptdarsteller Angelo Konzett und – leider nur ganz kurz – der grossartigen Soffi Povo. Povos intensives Spiel mit Buster ist besonders zu vermerken (oh, das arme Vieh!). Das Gespräch zeigt, hier ist ein echter Dickhead, jemand der viel von und über den Autoren gelesen und verstanden hat und den das begeistert hat. Ausdrücklich erwähnen muss man das, weil Philip K. Dick, aber noch viel mehr Blade Runner als Etikett verwendet werden, um Aufmerksamkeit zu erregen für Dinge, die dann höchstens einen faden Schatten des Beworbenen enthalten. Auch das ist nicht so schlecht, zeigt es doch, dass Dick genug Aufmerksamkeit gefunden hat, um als Werbeträger zu dienen (zumindest in unserer kleinen Ecke). Fährt man aber für ein Theaterstück nach Wien, erhofft man etwas mehr. Hoffnungen übererfüllt, dieses Stück ist ein grossartiger Beitrag zu Dicks Wirken, der aber auch ganz für sich selbst stehen kann.
Was für den Sammler
übrigblieb
Darüber hinaus gibt es weitere Themen im Stück, ein KI-Bezug und die Videoprojektion bzw. die Verwendung von Virtual Reality, die über das Thema Dick hinausgehen bzw. sich gut damit verbinden. Insgesamt ist das Stück auch für jeden, der Dick oder gar Blade Runner gar nicht kennt, ein unterhaltsames Erlebnis, dies ist kein Werk nur für Nerds. Mir wurde das persönlich auch verlässlich bestätigt.
Die umfassenste qualifizierte Kritik findet sich wohl hier, auch bebildert, und inhaltlich kann ich mich dem dort geschriebenen auch anschliessen.
Zum Abschluss: Ein Erlebnis, das sich lohnt. Und natürlich, darum geht es (auch) in diesem Blog: Wir sehen, Dick inspiriert andere Künstler, in Theater, Film, Musik, Literatur (sowieso) und darüber hinaus. Kein Überraschung, aber hier doch aufgezeichnet und bei diesem Stück besonders relevant, weil es halt Deutsch ist und das ist ja eigentlich der Fokus dieses Blogs.
Eine Auslandstournee in die Schweiz hat das Stück auch schon gemacht, darauf warten, dass es zu einem kommt, sollte man aber nicht. Wer den Blade Runner noch sehen will, der sollte das Stück beim Schubert Theater im Auge behalten: aktuell sind Aufführungen für den 24. und 25. April angekündigt.

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