Gesehen hatte ich es schon einmal,
sogar in der Hand gehalten, in Wetzlar. Aber die Möglichkeit ein solches Stück
für die Sammlung zu bekommen, hätte ich nicht erwartet: Die Erstausgabe von
Philip K. Dicks
The Transmigration of Timothy Archer – ungewöhnlich. Aber nicht, weil sonst – wegen der schwierigen
Preissituation – nur wenige Hardcover Erstausgaben in der Sammlung sind,
sondern weil dieser Band auf dem Vorblatt einen Stempel hat:
Scott Meredith Literary Agency 845 Third Avenue New York, NY 10022 |
Eigentlich ist ein Stempel im Buch nicht schön für einen Sammler. Und auch
bei diesem Stempel mag es unterschiedliche Auffassungen geben. Für mich aber
ist er tatsächlich ein grosser Gewinn. Das ist eher keine pekuniäre
Wertsteigerung, aber eine ideelle: Dieses Buch war Philip K. Dick ein
bisschen näher als andere: Irgendwann, nicht zu lange nach seinem Tod, hat
jemand irgendwo, vermutlich bei SMLA in Manhattan, diesen Stempel in dieses
Buch hineingedrückt.
Im Englischen gibt es einen Namen für solche Exemplare, die dem Autoren oder
jemanden, der mit dem Buch anderweitig verbunden ist, gehört haben:
association copy. Ein Exemplar der Agentur zählt sicher dazu. Ein deutsches Äquivalent
dieser Kategorie gibt es meiner Kenntnis nach nicht, aber natürlich gibt es
solche Exemplare, die dem Autoren oder Verleger nahe waren.
Eine Erstausgabe in mässiger Erhaltung mit einem Gimmick ... |
... ein Stempel der Agentur des Autoren |
Die Scott Meredith Literary Agency hat Dick fast vom Anfang seiner
Karriere bis zu seinem Tod und fast genauso lange darüber hinaus vertreten,
mit nur sehr kurzen Unterbrechungen. Die erste bei SMLA eingereichte
Geschichte war wohl am 23. Juli 1952 The Builder, auf Deutsch zuletzt
als Der Erbauer veröffentlicht. Ursprünglich wollte Dick von SMLA nur
für seine Mainstream-Romane, seine literarischen Arbeiten ausserhalb der
Science Fiction vertreten werden. SMLA hat auf eine umfassende Vertretung
bestanden; etwas eigentümlich war dieses Ansinnen von Dick schon, war SMLAs
Stärke dieser Zeit doch gerade die gute Vernetzung mit den Pulp-Verlagen.
SMLA hat über die Eingänge von Manuskripten genau Buch geführt: es gab grüne
Karten, auf denen nicht nur der Zugang der Manuskripte vermerkt wurde,
sondern auch Bewertungen, geschrieben von (zum Teil renommierten) Science
Fiction Autoren der Zeit, die für SMLA Zusammenfassungen und Abschätzungen
geschrieben haben. Den Inhalt dieser Karten findet der Leser teilweise in
den
Nach- und Hinweisen (im Original Notes) der Sämtlichen Erzählungen und diese helfen dort bei der zeitlichen Einordnung der Entstehung,
die teilweise gravierend von der Publikationsreihenfolge abweicht. Einige
dieser Karten enthalten gar Informationen über gänzlich verlorene
Mainstream-Manuskripte wie Pilgrim on the Hill.
Der Mitarbeiter bei SMLA, mit dem Dick später am meisten zu tun hatte, war
Russel „Rus“ Galen, dem er Valis, einen seiner wichtigsten
Romane, widmet:
»To Russell Galen, who showed me the right way.«
Widmung an Scott Meredith in Stimmen der Strasse |
In der Beziehung von Dick und SMLA gab es (wie in jeder Beziehung) auch
Differenzen und 1974 sogar eine kurze Trennung, aber erst lange nach dem Tod
von Scott Meredith 1993 ist der Trust, d. h. Dicks drei Kinder und Erben,
2009 fast unbemerkt
zur The Andrew Wylie Agency gewechselt. Diese hoch-renommierten
Agentur vertritt Philip Roth und Salman Rushdie, auch der jordanische
König Abdullah II und der Nachlass von John Updike stehen auf der imposanten Liste, aber ohne einen seiner Science Fiction schreibenden Kollegen und
Freunde mag Dicks Vermächtnis sich dort einsam fühlen. Wie das so ist. Obwohl, Kurt Vonnegut ist auch da.
Zum Buch
Zwei Erstausgaben:
Voices from the Street
in Englisch und die deutsche Erstausgabe Stimmen der Strasse, gewidmet Scott Meredith von SMLA |
Der Roman ist inhaltlich und definitionsgemäss Teil von Dicks Spätwerk und
als solcher gehaltvoller als viele frühere Romane; das gilt auch für
Valis und Die göttliche Invasion. Ob und wie diese drei
Bücher die Trilogie bilden als die sie vermarktet werden, ist unter
Kennern umstritten. Dick – höchst unzuverlässig bei solchen Aussagen –
spricht selbst von einer Trilogie, möglicherweise ist der dritte Band aber
nicht Transmigration sondern das ungeschriebene Owl in Daylight.
Eine lobende Erwähnung gilt dem Umschlagbild von Richards Powers, der
vorher bereits für andere Ausgaben die Coverillustrationen geliefert hat.
Kaufen kann man Timothy Archer einfach und günstig, fast keine
Hardcover Erstausgabe ist günstiger zu haben. Das liegt vielleicht an
einer mutmasslich grossen Auflage (Dick war am Zenit seiner Bekanntheit)
oder (auch?) am fehlenden Interesse an diesen nicht-Science-Fiction Roman.
Ob es hier mehr als eine Auflage gab, ist mir unbekannt. Von SMLA
gestempelte Exemplare findet man gelegentlich, solche von Dicks Bücher
aber nur selten: man darf dann nicht zögern und muss zugreifen. Der Wert
eines solchen – eigentlich wertmindernden Stempels – liegt aber im
Auge des Betrachters bzw. Besitzers.
SMLA ist übrigens inzwischen umgezogen,
im Netz findet man sie, vor
Ort nicht mehr so einfach, es finden sich unterschiedliche Adressen;
vermutlich gab es da mehrere Umzüge.
Eine Übersicht über die deutschen Widmungen gibt es hier im Blog.
Preise
"The Transmigration of Timothy Archer", Timescape (1982), findet man ab 20 Euro, zuzüglich Versand, ein (ausgewiesenes) "first printing" ab 40 Euro