Es gibt nicht viele Bücher von Philip
K. Dick auf Vietnamesisch, aber es gibt jetzt immerhin die zweite Übersetzung
eines Romans. In diesem Jahr ist Người Máy Có Mơ Về Cừu Điện Không
erschienen, im Original
Do Androids Dream of Electric Sheep?. Natürlich.
Người Máy Có Mơ Về Cừu Điện Không, die vietnamesische Ausgabe von Philip K. Dicks Roman Do Androids Dream of Electric Sheep? |
Aber DADoES ist ein guter
Roman und natürlich auch populär, durch den Film, natürlich. Um so
ungewöhnlicher ist die Wahl für die erste vietnamesische Übersetzung von 2002,
Dicks früher Roman
Dr. Futurity. Ersterscheinungsdatum 1960 bei (natürlich) Ace Books, in Vietnam bei Nha
Nam in Hanoi unter dem Titel Tié̂n sĩ tương lai. Dieser Roman ist
nicht unbedingt der stärkste Roman von Dick, es gibt auch nur sechs englische
Ausgaben und auf deutsch ist Schachfigur im Zeitspiel ein
Single, der nur einmal, bei Moewig (1983), erschienen ist (hallo, Fischer Verlag, könnte man auch mal wieder herausbringen!).
2002 also hatte der Verleger in Hanoi die Wahl zwischen u. a. Ubik, The Three Stigmata of Palmer Eldritch
und anderen Spitzenwerken – und Dr. Futurity … und wählt dann Dr. Futurity? Ich verstehe natürlich zu wenig von den Entscheidungsprozesse und
Randbedingungen beim Verlag Nha Nam in Hanoi, vielleicht spielt auch Politik
und Zensur eine Rolle (schliesslich ist die
Sozialistische Republik Vietnam kein freies Land, Presse- und
Meinungsfreiheit sind stark eingeschränkt), vielleicht ist es aber auch bloss
Inkompetenz oder eben das Geld für die Lizenzen. Diese Ausgabe ist nur bei
einigen Bibliotheken nachgewiesen, es liess sich nicht einmal ein Bild vom
Umschlag finden. Möglicherweise handelt es sich auch um eine
Bibliotheksausgabe, die überwiegend für Bibliotheken vorgesehen war. Um so
besser, das wir nun in Vietnam eine zweite Ausgabe eines Romans von Dick
haben.
Der Krieg
Die erste Assoziation mit Vietnam ist für viele der Krieg und die politische
Kontroverse um diesen Krieg. Auch Dick hat sich in den sechziger Jahren dazu
geäussert. Bereits Anfang der 60er Jahre organsierten sich verschiedene
Gruppen zur Steuerverweigerung als Protest gegen den Krieg. Als der
Vietnamkrieg in der Mitte der 60er Jahre in die Aufmerksamkeit der
Öffentlichkeit kam, schloss sich Dick wie viele andere Prominente, Künstler
und Intellektuelle diesem
War Tax Protest an.
Dick tat dies wohl 1967 für eine Aktion, über die die New York Times in einem
Artikel vom 17. September 1967 berichtet:
Writers Protest Vietnam War Tax. Es wird berichtet, dass die Beteiligten ihre Steuer um den Anteil
reduzieren wollen, der für den Krieg verwendet wird, 23 Prozent. Im folgenden
Jahr erschienen dann in drei Publikationen entsprechende Anzeigen: in
der New York Times vom 13.01., dem New York Review of Books
vom 15.02. und schliesslich dem (durchaus sammelbaren) politisch linken
Magazin Ramparts in der
Februar-Ausgabe des Jahres. Dicks Name ist als einer von rund 450 in den
Anzeigen zu lesen.
Bei den Science Fiction Autoren gibt es zwei Lager und so führt die Initiative
einer Protest-Anzeige im Branchenblatt
Galaxy zu einer
Gegenanzeige von Kriegsunterstützern, man kann sie Seite an Seite in der
Ausgabe vom Juni 1968 finden. Auch hier findet sich Dicks Name bei den
Kriegsgegner. Diese Anzeigen illustrieren auch den Artikel
Rückkehr zu Problemen der Menschlichkeit in der
Science Fiction Times 148 (1980) von Sybille Pukallus (Seite 35),
dort ohne Nennung der Quelle. Ein Scan der kompletten Ausgabe der
SFT 148 findet sich
hier.
Als Folge der Steuerverweigerung wurde 1969 Dicks Auto eingezogen, wie
man noch auf der Seite des
National War Tax Resistance Coordinating Committee
nachlesen kann, wo sich auch weiteres zum Thema findet. Auch danach hat er sich noch länger
Sorgen gemacht, zumal seine finanzielle Situation Anfang der 70er recht prekär
war.
Dick erwähnt diese Aktivität einige Male in der Exegesis, nach dem Ende
Krieges zahlt er wohl seine Steuerschulden. Später findet sich in Dicks
FBI-Akte ein Verweis auf die Steuerverweigerung.
Der Glaube unserer Väter
Literarisch berührt Dick das Thema Vietnam in der Kurzgeschichte
Glaube unserer Väter [Faith of Our Fathers], geschrieben wohl 1965 und veröffentlicht 1967 in der Anthologie
Dangerous Visions. Den Hintergrund der Erzählung bildet ein
Alternativweltszenario, in dem Vietnam (vermutlich mit China) den Krieg
gewonnen haben und die USA nun (scheinbar?) von den Kommunisten beherrscht
wird.
Diese Kurzgeschichte wird viel diskutiert, weil die Einleitung in
Dangerous Visions behauptet,
Dick hätte sie unter dem Einfluss von LSD geschrieben, was in der Folge Dicks
Ruf als „Drogenautor“ begründet oder zumindest dazu beigetragen hat. Später
bestreitet Dick das (plausibel, wie ich finde) und sagt auch, dass er nicht
die Idee vertritt, der Ostblock sollte den Kalten Krieg gewinnen.
Zum Thema Vietnam gibt es noch eine Aussage von Dick in der Exegesis, er
schreibt, dass ein Kritiker Warte auf das letzte Jahr [Now Wait for Last Year] für eine Beschreibung des Vietnamkriegs hält. Er lässt diese
Behauptung so stehen, reagiert aber auch nicht wirklich darauf. Man findet
dazu auch sonst nichts, es handelt sich also eher um eine Einzelmeinung.
Sammeln
Bestellen kann man die neue vietnamesische Ausgabe (wohl nur) in Vietnam,
zahlen mit PayPal, die Zollerklärung hat für mich geklappt, ich konnte mir die
Reise zum Zoll also sparen.
Die oben erwähnte Ausgabe des Magazin
Ramparts findet man leicht und
sehr bezahlbar, aber jenseits der Portomauer.
Tié̂n sĩ tương lai [Dr. Futurity] bei Worldcat ist
einer der wenigen (zugänglichen) Nachweise im Netz.
Eine Liste aller Sprachen und der jeweiligen Erstausgaben
von Philip K. Dick gibt es hier im Blog.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen