Aber wir lesen über die deutsche Übersetzung des englischen Texts hier auf
Englisch. Was steht denn im deutschen Text? Das Zitat ist das Motto des 17.
und letzten Kapitel des Romans. Renate Laux hat so übersetzt:
Ich bin UBIK. Mich gab's schon, bevor es das Universum gab. Ich habe die
Gestirne gemacht, ich habe die Welt geschaffen. Ich habe Leben geschaffen
und den Raum, in dem es existiert. Ich lenke es hierhin, ich lenke es
dorthin. Es bewegt sich nach meinem Willen, es tut, was ich sage.
Ich bin das Kennwort, mein Name wird nie ausgesprochen, mein Name,
den niemand kennt. Ich werde UBIK genannt, aber das ist nicht mein Name.
Ich bin. Ich werde immer sein.
Aus Dicks „word“ wird hier also „Kennwort“. Wirklich treffend ist das nicht,
findet der Autor dieses Blogs. Laux mag den einfachsten und offensichtlichen
Weg der Übersetzung, nämlich „word“ mit „Wort“ zu übersetzen,
gescheut haben, (gerade) weil sie den manifesten Bibelbezug vermeiden wollte.
Denn der Ausdruck „Ich bin das Wort“ war der Redakteurin des Hochliteraturverlags Suhrkamp sicher bekannt, auch wenn
Dick das ganz explizit nicht glauben mag. Denn diesen Bibel- bzw. Gottesbezug wollte
Dick explizit herstellen., In seinem Essay liest man:
It is obvious from this who and what Ubik is – nämlich Gott, oder
zumindest eine Variante davon, Dicks Gottesbild ist ja durchaus fliessend, speziell seit 2-3-74.
Heyne lässt die Übersetzung des Romans durch Renate Laux von Alexander Martin für die
Ausgabe in der Philip K. Dick Edition von 2003 überarbeiten, wie auch die Übersetzungen von fünf weiteren Büchern. Für das Motto finden wir von Martin dort:
Ich bin UBIK. Ich war, bevor das Universum war. Ich habe die Sonnen und
die Welten gemacht. Ich erschuf das Leben und das Land für das Leben. Ich
lenke es hierhin, ich lenke es dorthin. Es bewegt sich nach meinem Willen,
es tut, was ich sage. Ich bin das Wort und mein Name wird niemals
ausgesprochen, der Name, den niemand kennt. Ich werde UBIK genannt, aber
das ist nicht mein Name. Ich bin. Ich werde immer sein.
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Der Rabe 59
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Er hat es also richtig gemacht. Dicks Essay ist 1985 erstveröffentlicht und
2000 bei Haffmans auch auf Deutsch erschienen, vielleicht hat Martin der Wille
des Autoren so posthum erreicht. Oder er hat es einfach besser gewusst.
Martins Name fehlt leider in der Neuausgabe bei Fischer (2014), es handelt
sich aber um die von ihm überarbeitete Version. Nun ja, Fischer lag auch schon
beim
Blade Runner
mit der Angabe des Übersetzer mal daneben, in den fünf anderen von Martin überarbeiteten Büchern erscheint sein Name
auch bei Fischer.
Soweit zur Übersetzung. Aber in seinem Text kritisiert Dick spezifisch die
Wahl des Wortes „brand name“. Ein „brand name“ ist ein „Markenname“ und so
meint Dick das in seinem Essay auch. „Kennwort“ übersetzt sich aber
keinesfalls als „brand name“. Dicks Rückübersetzung und sein Verständnis dafür
waren also fehlerhaft. Aber Dick war auch kein Übersetzer, sein Deutsch nicht
fliessend. Und für eine Pointe wäre Dick wohl auch bereit, (s)einen deutschen
Übersetzer in die Pfanne zu hauen.
Man beachte aber, dass der besprochene Abschnitt eine zentrale Textstelle ist, sehr relevant für den Roman und vielleicht überhaupt Dicks Werk, deshalb wird sie auch sehr viel zitiert. Dicks kritischer Blick ist also nicht willkürlich, sondern auf eine zentrale Aussage des Buches konzentriert, wir müssen ihm hier den ansonsten vielleicht überkritisch wirkenden Blick erlauben.
Die Rekursion der Übersetzung lässt sich noch einen Schritt weitertreiben.
Denn auch Dicks Essay ist ja, wie erwähnt, übersetzt worden, als Wie man eine Welt erbaut, die nicht nach zwei Tagen wieder
auseinanderfällt im Magazin Rabe 59 bei Haffmans (2000). Peter A. Schmidt
übersetzt dort so:
…
Ich bin Ubik. Noch bevor die Welt war, war ich. Ich habe die Sonnen
gemacht. Ich habe die Welten gemacht. Ich habe die Lebewesen geschaffen
und die Orte, die sie bewohnen. Ich versetze sie hierhin, ich versetze
sie dorthin. Sie gehen, wohin ich ihnen befehle, sie tun, was ich ihnen
sage. Ich bin das Wort, und mein Name wird nie ausgesprochen
werden; es ist der Name, den keiner kennt. Man nennt mich Ubik, aber das
ist nicht mein Name. Ich bin. Ich werde ewig sein.
…
In der deutschen Übersetzung sagt das absolute Wesen, das die Sonnen, die
Welten und die Lebewesen und die Orte, die sie bevölkern, geschaffen hat,
über sich selbst:
Wenn dieser Mann das Johannesevangelium übersetzt hätte, wäre wohl
herausgekommen:
Am Anfang war das Kennwort, und das Kennwort war bei Gott, und Gott war
das Kennwort.
Einerseits übersetzt Schmidt das Zitat aus Ubik neu, andererseits
holt er sich den kritisierten deutsche Ausdruck offensichtlich aus der
Übersetzung von Laux. Denn Dicks „brand name“ wäre sicher kein
„Kennwort“ geworden. Gut gemacht, Herr Schmidt!
Dick und Deutsch
Dick hat sich sicher mit einigen deutschen Übersetzungen beschäftigt. Auch
wenn seine Aussagen nicht ganz präzise sind – „brand name“ ist keinesfalls die
Übersetzung von „Kennwort“, das wäre eher „password“ gewesen.
Über seine Inspektion der deutschen Erstausgabe von
Das Orakel vom Berge beim König Verlag (1973) erzählt er 1976 in einem Interview (Missouri Review, Winter 1984):
I stayed up night and day with my Cassell's German-English Dictionary and I
read every single word, comparing the German line by line with the English.
Das gibt einen Eindruck von Dicks Arbeitsweise. Nur kurz erwähnt sei hier,
dass sich diese Kontrolle der Übersetzung im Brief an Spinrad deutlich anders
anhört als im Interview, aber das bedarf einer separaten Betrachtung, die
dieser Blog folgen lassen wird.
Dicks Essay
How to Build a Universe That Doesn't Fall Apart Two Days Later lässt sich im Internet
vielerorts nachlesen, man sollte das auch durchaus tun – hier findet sich die Essenz von Dick.
Auf Deutsch finde man das Essay als
Wie man eine Welt erbaut, die nicht nach zwei Tagen wieder
auseinanderfällt im Raben 59 und im Der Philip K. Dick Companion, Haffmans (2008) im Schuber der
Sämtlichen 118 Geschichten.